Merkels Selbstbefreiung
Uwe Kalbe sieht die Kanzlerin eine willkommene Gelegenheit ergreifen
Defizite des Rechtsstaates macht die CDU-Vorsitzende aus, die ganze Härte des Rechts beschwört sie nach den Taten der Kölner Silvesternacht. Ist da etwa Erleichterung zu hören? Wenngleich ihr keine, auch keine klammheimliche Freude zu unterstellen ist - die Ereignisse haben Angela Merkel die Gelegenheit geboten, die Kluft zum rechten Flügel ihrer Partei zu verringern. Das Zepter wieder zu übernehmen. Und nicht zuletzt: Ohne damit ihre Position in der Obergrenzendebatte mit der CSU verlassen zu müssen und sich damit gegenüber Horst Seehofer eine Blöße zu geben, kann sie nun Wiedergutmachung betreiben gegenüber den Konservativen in- und außerhalb der eigenen Partei, auch gegenüber den murrenden Wählern auf der Rechten. Merkel ist damit nun endgültig die Rolle der Willkommenskanzlerin auch in der öffentlichen Wahrnehmung los.
Schon bisher stand ihr diese nicht wirklich zu, Gesetzesverschärfungen im Asylrecht bis hart an die Grenzen des verfassungsrechtlich Unbedenklichen wurden bereits beschlossen, weitere scheitern bislang am Zögern der Sozialdemokraten in der Großen Koalition. Doch bis zuletzt zwang Horst Seehofer der Kanzlerin das Bekenntnis zum Asylgrundsatz als Grundrecht und damit ohne Obergrenzen der Fallzahlen in aller Öffentlichkeit auf - eine zwar demagogische, nichtsdestotrotz aber wirkungsvolle Pein. Aus dieser Zwickmühle kann sie sich nun endlich ohne Gesichtsverlust befreien. Und sie tut es.
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