Tür für Gemeinschaftsschule offen

Landtag beauftragt den Bildungsminister mit Konzept zur Stärkung der Schulzentren

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
SPD und LINKE halten sich an ihren Koalitionsvertrag und bringen im Landtag einen Kompromissantrag zur Gemeinschaftsschule durch, die aber anders heißen muss.

War da der Wunsch Vater des Gedankens? Versehentlich stellte Landtagsvizepräsident Dieter Dombrowski (CDU) am Donnerstag fest, der Antrag der rot-roten Koalition zur Stärkung der Schulzentren sei »abgelehnt«. Er hatte sich nur versprochen. Tatsächlich wurde der Antrag angenommen. Damit ist die Tür für die Gemeinschaftsschule in Brandenburg offen, wenngleich nicht sperrangelweit. Bildungsminister Günter Baaske (SPD) muss jetzt bis Ende des zweiten Quartals 2016 ein Konzept zur Stärkung der Schulzentren vorlegen. Hinter dem Begriff Schulzentrum verbirgt sich in Brandenburg die Gemeinschaftsschule.

»Gute Bildung dürfte nicht von der Herkunft abhängen«, hatte die Abgeordnete Kathrin Dannenberg (LINKE) vor der Abstimmung gesagt. Ihr zufolge besuchen in der Bundesrepublik zwei Drittel der Kinder aus bildungsnahen Familien ein Gymnasium, aber nur ein Drittel der Kinder aus armen Haushalten. Mit dieser Situation dürfe man sich nicht abfinden. Man müsse »weg vom frühzeitigen Aussortieren«, forderte die Abgeordnete, die selbst Lehrerin ist.

Im Schulzentrum sollen Mädchen und Jungen von Klasse 1 bis 10 lernen - wenn vor Ort genug Abiturienten zusammenkommen auch bis zur 13. Klasse. Bis 2030 werden sich die Schülerzahlen in ländlichen Gegenden halbieren, warnte Dannenberg. Die Gemeinschaftsschule könnte dafür sorgen, dass genug Schüler für die Oberstufe da sind und eine andernfalls drohende Welle von Schulschließungen ausbleibt. »Der Antrag ist ja nun wirklich keine Revolution. Wir schaffen auch keine Gymnasien ab. Der Antrag ist lediglich ein Türöffner«, beruhigte Dannenberg.

Auch die SPD-Abgeordnete Simona Koß konnte die Aufregung um den Antrag nicht verstehen. Immerhin gebe es bereits 34 Schulzentren, die sich bewährt haben, bislang aber noch nicht so heißen. »Die Gymnasien bleiben erhalten«, versprach Koß. »Freiwilligkeit ist Trumpf.«

Dennoch tönte der CDU-Abgeordnete Gordon Hoffmann: »Früher oder später bedeutet das die Abschaffung der Gymnasien.« Hoffmann ging sogar noch einen Schritt weiter und argumentierte, wenn Kinder eine Gemeinschaftsschule besuchen, könnten auf dem Lande Zöglinge für die herkömmlichen Grundschulen fehlen, die dann dicht machen müssten, so dass die Kinder weitere Wege hätten. Also »nicht längeres gemeinsames Lernen, sondern längeres gemeinsames Fahren«, behauptete Hoffmann. Eine nachvollziehbare Begründung für seine These lieferte er nicht. Denn langes gemeinsames Lernen sichert doch so gut wie möglich den Unterricht vor Ort.

Bekanntlich will die LINKE die Gemeinschaftsschule schon lange einführen, während die brandenburgische SPD nicht den Mut aufbringt, sich halbwegs eindeutig zu dieser Schulform zu bekennen. Die oppositionellen Grünen, die bei der Gemeinschaftsschule inhaltlich an der Seite der Regierungsfraktion LINKE stehen, wollten dem Antrag ursprünglich zustimmen, obwohl er ihnen zu schwammig formuliert war, wie die Abgeordnete Marie Luise von Halem erläuterte. Nach den Ausführungen des Bildungsministers glaubten die Grünen, besser zu verstehen, was sich der SPD-Politiker unter einem Schulzentrum vorstellt - und das befriedigte sie nicht. Sie schwenkten um von Zustimmung auf Enthaltung.

Im Gegensatz dazu bekannte die CDU nach den Erklärungsversuchen Baaskes, wenn es wirklich nur darum gehen würde, kleine Filialschulen auf dem Lande zu erhalten, dann würde sie den Antrag sogar unterstützen. Aber CDU-Bildungsexperte Hoffmann hangelte sich bei der Interpretation des Antrags entlang an der nd-Schlagzeile »Durchbruch für die Einheitsschule«. Das »neue deutschland« sei nicht sein »Leib- und Magenblatt«, die Darstellung dort aber zutreffend, sagte Hoffmann. Seite 11

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