LAGeSo redete bei neuer Asyl-Behörde nicht mit
Interner Brief an Beschäftigte zeigt miese Informationspolitik / Opposition kritisiert Konzeptlosigkeit von Czaja
Die zuständige Verwaltung für Gesundheit und Soziales von Senator Mario Czaja (CDU) hat bei den Planungen für ein neues Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten das bestehende Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) offenbar nicht mit einbezogen. So geht es zumindest aus einem internen Schreiben des Präsidenten des LAGeSo, Franz Allert, an die Beschäftigten der Behörde hervor, das am Mittwoch bekannt wurde. »Ich möchte betonen, dass das LAGeSo zu keinem Zeitpunkt an der geplanten Errichtung oder an den Vorbereitungen dazu beteiligt wurde«, heißt es in dem internen Schreiben Allerts, das dem »neuen deutschland« vorliegt.
Dass die 300 auf Asylbewerber spezialisierten Beschäftigten und die Behördenleitung des LAGeSo in den weitgehenden Umstrukturierungsprozess nicht mit einbezogen wurden, ist angesichts der Dringlichkeit der Unterbringungskrise und der katastrophalen Zustände für Flüchtlinge vor der Registrierungsstelle der Landesbehörde in der Turmstraße in Moabit selbst unverständlich. Schließlich sollte das geplante neue Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten laut einer Senatsvorlage eigentlich bereits zum 1. Januar 2016 an den Start gehen, davon wurde inzwischen indes Abstand genommen. »Mit diesem neuen Amt stellen wir uns den enormen Herausforderungen und den damit gewachsenen Aufgaben, die der anhaltend hohe Zugang von Flüchtlingen mit sich bringt«, sagte Czaja.
Franz Allert, der genauso wie seine Behörde wegen der chaotischen Unterbringungssituation und Korruptionsvorwürfen in der Kritik steht, erklärte in seinem Schreiben gegenüber den Beschäftigten weiter, dass es aus seiner Sicht bedauerlich sei, »dass bei den notwendigen Veränderungen die betroffenen Kolleginnen und Kollegen sowie die Beschäftigtenvertretungen nicht rechtzeitig in erforderlichem Maße mit einbezogen werden«. Czaja selbst hatte am Dienstag nach dem Senatsbeschluss verkünden lassen, dass zur Errichtung der neuen Landesbehörde eine Projektgruppe gebildet werde, die von Claudia Langeheine, der Direktorin des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, im Rahmen einer Amtshilfe geleitet werden soll. Die elfseitige Senatsvorlage für das Vorhaben bietet unterdessen über einige Gesetzesänderungen, Aufgabengebiete und Personalzusammensetzungen hinaus vergleichsweise wenig konkrete Hinweise darauf, wie die neue Landesbehörde für Flüchtlingsangelegenheiten künftig funktionieren soll.
Die Regierungsparteien SPD und CDU äußerten sich am Mittwoch dennoch zuversichtlich, dass die geplante Umstrukturierung hilfreich sein könnte. Man dürfe nichts unversucht lassen, um die Lage zu verbessern, sagte der Landesvorsitzende der SPD, Jan Stöß, dem »rbb-Inforadio«. Es dürfe nicht sein, dass noch immer Menschen vor dem LAGeSo in der Kälte stehen müssen: »Entscheidend ist, dass sich die Situation tatsächlich verbessert«, erklärte Stöß.
Auch der Generalsekretär der CDU, Kai Wegner, begrüßte das neue Landesamt. »Anders als das LAGeSo kann sich die neue Behörde ausschließlich auf die Flüchtlingsproblematik konzentrieren«, betonte Wegner ebenfalls im »rbb-Inforadio«. Während er den CDU-Sozialsenator Czaja gegen die Kritiker in Schutz nahm, nutzte der CDU-General die Möglichkeit, erneut gegen den SPD-Koalitionspartner und dessen Senatoren zu sticheln. »Wo ist eigentlich die Integrationssenatorin bei diesem Thema, wo ist der Bausenator, wenn wir über Wohnungsbau sprechen und wo ist auch die Schulsenatorin, wenn wir über die Willkommensklassen sprechen«, fragte Wegner.
Für die oppositionelle Linkspartei muten Czajas Behörden-Pläne an wie ein Akt der Verzweiflung. »Was hier offenbar Handlungsfähigkeit demonstrieren soll, könnte sich schon aufgrund der sehr kurzen Vorbereitungszeit eher ins Gegenteil verkehren und die Versorgungslage der Geflüchteten in Berlin noch weiter verschlimmern«, erklärten die sozialpolitische Sprecherin, Elke Breitenbach, und der flüchtlingspolitische Sprecher der Linksfraktion, Hakan Taş. Bereits am Montag im Sozialausschuss konnte laut LINKEN-Abgeordneten der zuständige Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU) noch nicht einmal Angaben zum Standort, zum erforderlichen Personal und zu den Kosten machen. Dabei gilt Dirk Gerstle als heißer Kandidat für den Vorsitz der neuen Behörde.
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