Obergrenzen durch die Hintertür

Die Bundespolitik diskutiert kontrovers, wie der Zuzug von Flüchtlingen begrenzt werden kann

  • Lesedauer: 2 Min.
Es ist bei weitem nicht nur die CSU, die eine Eindämmung der Flüchtlingsaufnahme fordert. Mittlerweile mehren sich Vorschläge über Kontingente bei CDU, SPD und Grünen.

Berlin. Ralf Stegner platzte am Samstag der Kragen. »Was ist daran so schwer zu kapieren, dass einseitige nationale Obergrenzen für Flüchtlinge eine Beseitigung des individuellen Asylrechts wäre?«, grollte der SPD-Vize auf dem Kurznachrichtendienst Twitter angesichts der immer lauter werdenden Rufe nach einer solchen Regelung in der Union. Inzwischen denkt auch die SPD laut über eine solche Begrenzung nach, dabei soll es dann um international vereinbarte Kontingente für Bürgerkriegsflüchtlinge gehen.

Faktisch würde eine solche Regelung das Grundrecht auf Asyl zu bestimmten Zeiten abschaffen. Denn wäre das Kontingent erfüllt - ganz egal, ob es auf nationaler Ebene durchgesetzt oder als europäische Variante vereinbart wird - ist dem Zufluchtsuchenden der Weg zur Anerkennung als Asylberechtigter versperrt. Dies dürfte letztlich gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen. Der darin verankerte Grundsatz einer Nichtzurückweisung ist auch Teil europäischen Rechts.

Nachdem zunächst die CSU auf eine Obergrenze und damit die nächste Einschränkung des Asylrechts gedrängt hatte, plädieren nun auch führende CDU-Politiker auf eine solche Lösung.

Das sorgt nicht zuletzt deshalb für Aufmerksamkeit, weil sich Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel bisher gegen eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hat. Am Freitagabend war es deshalb auf dem CSU-Parteitag zu einem Eklat gekommen - Horst Seehofer ging Merkel unter dem Applaus von CSU-Claqueuren direkt an. Nun setzt auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf eine Begrenzung. »Ein Kontingent bedeutet automatisch eine Begrenzung der Anzahl von Flüchtlingen. Ich freue mich darüber, dass dieser Vorschlag zwischenzeitlich immer mehr Zustimmung findet«, sagte der CDU-Politiker der »Bild am Sonntag«. Er habe sich schon im September dafür ausgesprochen, dass Europa »ein großzügiges Kontingent von Flüchtlingen« aufnimmt, die gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingswerk ausgewählt werden.

In der SPD wird darauf verwiesen, dass feste Obergrenzen gegen das Grundrecht auf Asyl verstießen, dies von einer Kontingentlösung aber unterschieden werden müsse. Die Frage ist: Worin besteht der Unterschied wirklich? SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat jetzt die Einführung flexibler Flüchtlingskontingente vorgeschlagen, die jährlich vom Parlament festgelegt werden sollen. Im Klartext: Wenn eine Größe der Kontingente definiert wird, dann auch eine Obergrenze.

Über eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen wird inzwischen auch bei den Grünen geredet. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wies zwar eine nationale Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen zurück, erklärte aber sogleich, man brauche Begrenzungen. Im Deutschlandfunk sagte er, diese könnten aber nur auf europäischer Ebene festgelegt werden. nd Seite 5

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