Es geht um eine Minderung von 90 Prozent
Verkehrsexperte Axel Friedrich über die Schwierigkeiten bei der Abgasreinigung von Dieselmotoren
Eine aktuelle norwegische Untersuchung bescheinigt Euro-5- und Euro-6-Diesel-Pkw deutlich schlechtere Abgaswerte als selbst einigen Lkw und Bussen mit Dieselmotoren. Ist das Problem mit schärferen Abgasnormen also nicht nur ein VW-Problem?
Bei Lkw gibt es bereits seit letztem Jahr Straßenüberprüfungen, das heißt, sie werden beim Fahren auf der Straße gemessen. Das ist der Grund, warum die inzwischen besser geworden sind. Und natürlich ist das nicht nur ein VW-Problem, sondern ein flächendeckendes Problem.
Abgesehen von dem illegalen Softwaretrick bei VW, wie sauber können denn Dieselmotoren überhaupt sein?
Das Beispiel von einem BMW X5 in den USA, der die kalifornischen Grenzwerte auf der Straße eingehalten hat, zeigt, dass man ohne große technische Probleme diese Werte auch im realen Leben einhalten kann. Und die Grenzwerte für Stickoxide in Kalifornien sind viermal schärfer als bei uns.
Wenn der Motor bergauf voll gefordert ist, dann funktioniert die Reinigung offenbar auch nicht mehr so gut.
Schon, aber unter normalen Bedingungen funktioniert das gut.
Nun ist der X5 ein relativ teures Auto, wo es den meisten Käufern auf ein paar Euro mehr oder weniger für die Abgasanlage nicht ankommen wird.
Wir haben Grenzwerte, die müssen eingehalten werden.
Anders gefragt, lohnt sich so ein Motor dann überhaupt noch für einen normalen Diesel-Pkw?
Für die meisten Menschen lohnt ein Diesel sowieso nicht. Viele treffen Entscheidungen, die irrational sind. Wenn sie einen Polo oder Golf mit Dieselmotor kaufen, macht das schon jetzt ökonomisch für die meisten keinen Sinn.
Liefern die gleichen Autos mit Benzinmotoren sauberere Abgase?
Es mit einem Benzinfahrzeug technisch einfacher, die Grenzwerte einzuhalten als mit einem Dieselfahrzeug. Aber kontrollieren muss ich die auch.
Warum werden dann so viele Diesel-Pkw in Europa verkauft?
Weil die Kunden bereit sind, 400 Euro mehr zu bezahlen, in dem Glauben, er sei sparsamer und langlebiger, was eben nicht stimmt.
Dass Dieselmotoren effizienter sind, sagen aber selbst autokritische Umweltorganisationen.
Wenn sie einen Verbrauchsvorteil von 15 Prozent haben, sind sie beim CO2-Ausstoß praktisch gleich, weil die Dichte von Diesel größer ist. Eigentlich müssten wir den Kraftstoff nicht literweise verkaufen, sondern kiloweise. Dann würden die Leute erkennen, dass es keine großen Unterschiede gibt.
Heißt das, die nächste Abgasnorm-Verschärfung wäre das Aus für Diesel-Pkw?
Es geht nicht um eine Verschärfung, es geht darum, dass man erst mal die jetzigen einhalten muss. Schärfere Vorschriften machen ja keinen Sinn, wenn wir nicht mal die heutigen durchsetzen.
Wären veränderte Kraftstoffe oder neue Kraftstoffrezepturen ein gangbarer Weg zu besseren Abgaswerten?
Nur in geringem Maße. Sie können auf diesem Wege die Schadstoffe vielleicht um zehn, zwanzig Prozent verringern, aber Sie brauchen ja bei den Stickoxiden eine Minderung von 90 Prozent und das kriegen Sie damit nicht hin.
90 Prozent ist ziemlich viel. Wie soll das gehen?
Ich habe gerade den BMW X5 ja genannt, der diese Schadstoffminderung erreicht. Und es gibt noch weitere Autos, die das ebenso schaffen.
Warum funktionieren die Abgasreinigungssysteme, die die Otto-Motoren so sauber gemacht haben, beim Diesel nicht?
Weil wir bei Dieselmotoren einen großen Luftüberschuss haben. Die Temperatur der Abgase ist deswegen niedriger als beim Ottomotor. Ich muss also mehr Aufwand treiben, um den Katalysator auf die richtige Betriebstemperatur zu bringen.
Welche Möglichkeiten der Abgasreinigung bei Dieselmotoren gibt es denn?
Die beste Möglichkeit ist natürlich der sogenannte SCR-Katalysator, der aber auch heiß genug sein muss.
Beim SCR-Katalysator wird zusätzlich eine Harnstofflösung eingespritzt, die muss regelmäßig nachgefüllt werden. Wie praktikabel ist das denn? Und wenn der Autofahrer einfach darauf verzichtet?
Das geht glücklicherweise nicht so einfach. Die sogenannte On-Bord-Diagnostik, der Computer zwischen dem Autofahrer und seinem Auto, verhindert den Start bei Fahrzeugen, die keinen Harnstoff nachgefüllt haben. Damit er nicht irgendwo unerwartet stehen bleibt, geht schon 1000 Kilometer vorher ein Warnlicht an, dann noch mal bei 500 Kilometern. Es gibt also ausreichend Zeit, um nachzufüllen.
Wird mit all diesen Maßnahmen nicht die Effizienz beeinträchtigt?
Im Gegenteil, wenn sie einen SCR-Katalysator nehmen, dann steigt die Effizienz, weil Sie den Motor auf die optimale Leistung einstellen, und die dabei entstehenden Emissionen dann durch den Katalysator verringern können.
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