»Der erste beste Koch kann regieren«

Kathrin Gerlof über den teilweise wieder ausgegrabenen Lenin und das ebenfalls wieder ausgegrabene Wort Asylant

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 3 Min.
Lenin ist zurück. Zumindest sein Kopf. Und der steht jetzt in der Zitadelle Spandau. Zwar handelt es sich nur um ein Denkmal, doch dieses wurde, nach langen hin- und her ausgegraben und nun ausgestellt.

Dieser tolle Spruch wird Lenin zugeschrieben. Der ist nur deshalb an dieser Stelle zitierbar, weil Lenins Kopf wieder da ist. War lange verbuddelt und nun steht er in der Zitadelle Spandau (Spandau gehört zu Berlin, auch wenn viele das nicht glauben wollen), zusammen mit vielen anderen Denkmälern, die mal auf die eine oder andere Art und Weise vergraben und verfemt waren.

Die Kolumnistin hat jahrelang von ihrer Wohnung aus auf eben diesen steinernen Kopf von Lenin schauen können. Von oben sah der Mann gar nicht so eindrucksvoll aus. Mit einer gewissen Übung hätte man ihm auf den Kopf spucken können. Aber das schien damals nicht angemessen.

Einmal im Jahr gab es am Leninplatz rund um den steinernen Mann einen geplanten und organisierten Aufmarsch. IHM zu Ehren. Die Zahl der IHM huldigenden sozialistischen Staatsbürger stand eigentlich schon immer vorher fest. Völlig egal, wie viele am Ende kamen. Irgendwann gab es dann die Geschichte mit dem Foto vom Aufmarsch auf dem Leninplatz. Auf dem hatte sich ein Mann, der tatsächlich da gewesen war, gleich zwei Mal gefunden. Fotomontage will auch gekonnt sein. Einfach die gleichen Teile aneinanderkleben ist Stümperei. Das galt schon damals.

Lenin war nach der Wende in 130 Teile zerlegt worden. Der zu DDR-Zeiten recht lustige Witz von dem Touristen, der nach Moskau fährt, drei Stunden vor dem Lenin-Mausoleum ansteht, nur um dann festzustellen, dass der Kerl, den er sich ansehen wollte, inzwischen gestorben war, holte da keinen mehr vom Stuhl. Lenin war plötzlich richtig tot. Jetzt ist er wieder da. Die Geschichte schlägt eine Menge Purzelbäume und ob sie sich nur als Farce wiederholt, darüber haben wir nicht zu entscheiden.

Fast wäre es nichts geworden mit der Wiedergeburt. Wegen der Zauneidechse, die erst vergrämt werden musste. Das war nicht einfach, aber es hat funktioniert.

Die CSU würde vielleicht gern von dieser Erfahrung profitieren und die Flüchtlinge ein bisschen vergrämen. Sie kümmert sich gerade um die Drecksarbeit, während ihre Kanzlerin gefeiert wird. Bleibt ihrem christlich-sozialen Namen treu.

Der Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik der CSU hat einen Flüchtlingsplan vorgestellt dessen Überschrift lautet »Zustrom eindämmen«. Das klingt nach Ebola, Vogelgrippe und Syphilis. Gefordert werden Grenzkontrollen im Schengenraum, Asylzentren in Afrika und feste Flüchtlingsquoten. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Straubinger, sagt, man könne jetzt auch wieder nach Syrien abschieben, weil, da hat es nämlich Gegenden, wo gar kein Krieg ist. Regionen, in denen man durchaus leben könne, sagt Straubinger und droht ein Ende der Hilfsbereitschaft an, sollte nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden, die Syrer in diese friedlichen Gegenden abzuschieben. Vielleicht war er da, der Straubinger, hat es mit eigenen Augen gesehen. Das wäre dem glatt zuzutrauen.

Manchenorts aber hilft auch die CDU, die Flüchtlinge zu vergrämen. Während die Kanzlerin endlich Gefühl zeigt. Im »Ratinger Wochenblatt« (Das muss man jetzt nicht kennen, es ist einfach, weil die Kolumnistin dort war und beim Bäcker diese Zeitung rumlag.) war die Überschrift zu lesen: »CDU startet Initiative für marode Unterkunft«. Das ist sehr direkt, mag man finden. Auch gleich noch selber initiativ zu werden in Sachen menschenunwürdige Herberge. Der Wahrheit zuliebe sei gesagt, dass es sich hier einfach nur um schlechten Journalismus handelt. Die CDU startet gar keine Initiative für marode Unterkünfte. Es gibt schon genug.

Stattdessen startet die FAZ eine Kampagne zur Flüchtlingsvergrämung. »Bald werden Tausende anerkannte Asylanten auf Arbeitssuche gehen«, schreibt sie im Wirtschaftsteil. Das Wort Asylanten war offiziell eine Weile vergraben. Jetzt wird es wieder ausgestellt. Geschichtsbewusstsein ist doch was Feines.

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