Das Dogma des Stärkeren
Kurt Stenger über deutsch-französische Kontroversen
Es gab Zeiten, da wurden die engen deutsch-französischen Beziehungen vielerorts in Europa von Besorgnis begleitet: Die regelmäßigen Vorab-Absprachen zwischen den beiden mächtigsten Wirtschaftsnationen degradierten die EU-Gipfeltreffen oft zu bloßen Abnickveranstaltungen. Das sieht heute ganz anders aus, denn das Gespann zieht in unterschiedliche Richtungen. Während Berlin alle Staaten auf einen harten Haushaltskurs einschwört, möchte Paris mit Investitionen das lahmende Wachstum in Europa ankurbeln. Doch dabei werden konträre Meinungen nicht etwa sachlich und auf Augenhöhe ausgetauscht - für Deutschland ist Frankreich angesichts seiner nicht besonders guten Konjunktur- und Haushaltsdaten zum ideologischen Prügelknaben geworden.
Dies sollte jetzt Sorgen hervorrufen, denn Europa steht vor absehbaren Problemen. Denn was in Deutschland wie der übliche, zyklische Konjunkturabschwung daherkommt, könnte sich angesichts der Anfälligkeit vieler südeuropäischer Staaten zu einer neuerlichen Eurokrise auswachsen. Das wird nicht zwangsläufig geschehen, sondern nur, wenn die Politik den Kopf in den Sand steckt oder gar durch weitere Sparorgien die rezessiven Tendenzen noch verschärft. Und danach sieht es auch aus, denn die französische Regierung setzt längst zusätzlich zu den regelmäßigen Investitionsforderungen auf unternehmensfreundliche Reformer zu Hause. In Europa zählt ganz offensichtlich das Dogma des wirtschaftlich Stärkeren.
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