Vom Ballsaal in die Gelbe Lounge

Mit dem Dreikönigstreffen in Stuttgart wird es für die FDP ernst mit dem Projekt Wiederaufbau / Westerwelle und Bahr haben abgesagt

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
2014 wird für die FDP ein entscheidendes Jahr. Um für die Europawahl im Mai wieder auf die Beine zu kommen, muss die Partei eine komplizierte Gratwanderung absolvieren.

Es ist noch nicht lange her, dass die SPD als selbst proklamierte »älteste Partei Deutschlands« ihr 150-Jahre-Fest beging. Doch beansprucht auch die FDP eine ähnlich lange Tradition. Das Dreikönigstreffen der Partei, die sich als Erbin des zersplitterten deutschen Liberalismus sieht, geht auf den Januar 1866 zurück.

Damals hatten sich Vertreter der 1864 gegründeten »Demokratischen Volkspartei« in Stuttgart versammelt. Nach dem Ersten Weltkrieg pflegten sich die Südwest-Anhänger der Deutschen Demokratischen Partei um Dreikönig in Stuttgart zu versammeln. Und nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der Termin zum bundespolitischen Jahresauftakt der FDP/DVP - und wurde, zumindest in den langen Jahrzehnten des Dreiparteiensystems, zu einer der bedeutsamsten politischen Jahresversammlungen der Republik.

Es ist also eine stolze Tradition, die nach der Bundestagswahlpleite in Gefahr gerät: Während FDP-Altvordere vor Dreikönig Durchhalte- und Aufbauparolen ausgaben, steht sogar das Treffen als solches zur Disposition: Da das Opernhaus als Veranstaltungsort seine Raummiete erhöht hat, ist es alles andere als klar, dass das Treffen auch im nächsten Jahr in gewohnter Form stattfinden können wird; bereits bei der heurigen Ausgabe wurde auf den traditionellen Parteiball zugunsten einer kleiner dimensionierten »Lounge« verzichtet.

2014 wird das Jahr, in dem sich die Zukunft der Gelben entscheidet - bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Sommer und Herbst, vor allem aber bei der Europawahl im Mai. Bei dieser muss die FDP nicht nur die Dreiprozenthürde schaffen; sie muss ein Ergebnis von deutlich über fünf Prozent erzielen, um dem Wiederaufbau Schwung zu geben. Spitzenkandidat sollte nach Ansicht des neuen Parteichefs Christian Lindner der Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff werden. Lindner, der am heutigen Montag zu einer ersten großen Kampfrede erwartet wird, steht vor großen Herausforderungen - zumal Europa im »liberalen« Lager zur Gretchenfrage geworden ist.

Wenn die gelben Strategen nämlich nach den Gründen der Septemberpleite forschen, wird ihnen nicht entgehen, dass die Euro-»Rettungspolitik« der Union die entscheidenden ein, zwei Prozent gekostet hat: Wer sich von den Parolen des sogenannten Eurorebellen Frank Schäffler angezogen gefühlt hatte, könnte seine Stimme diesmal der AfD gegeben haben. Insofern steht die FDP vor einer komplizierten Gratwanderung: Sie muss den schrill-rechtsliberalen Schäffler-Flügel halten, ohne der AfD zu viel Wasser auf die Mühle zu leiten. Zugleich müssen sie sich im Angela-Merkel-Mainstream behaupten, um weiterhin als kommoder Regierungspartner zu gelten. Und drittens müssen sie um neue, eher linksliberale Stimmen buhlen, um die absehbaren Verluste an die AfD zu kompensieren. Auf diesem Spielfeld tritt die FDP u. a. gegen die ihrerseits kriselnde Piratenpartei an - so klein sind derzeit die von Lindner zu backenden Brötchen. Doch ist ein solcher Doppelspagat überhaupt möglich?

Es ist bezeichnend für die Lage der FDP, dass Hans-Dietrich Genscher in Stuttgart als Impulsgeber erwartet wird und für staatsmännisches Gewicht sorgen soll. Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger rief zu Zusammenhalt und Mittigkeit auf; der »Neuen Osnabrücker Zeitung« sagte sie, es gehe um »ein starkes Europa und einen stabilen Euro«. Der Chef der Jungen Liberalen, Alexander Hahn, forderte im SWR das Gegenteil, nämlich mehr Mitbestimmung und Debatte. Die Exminister Guido Westerwelle und Daniel Bahr haben offenbar abgesagt. Ob Exparteichef Philipp Rösler und Exfraktionschef Rainer Brüderle kommen, war ungewiss.

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