Raum, Zeit und Materie

Philosophisches zur modernen Physik

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Liste der Physiker, die sich auch als Philosophen versucht haben, ist lang. Gern wird Albert Einstein genannt, dessen Kritik an der Quantenmechanik kurz und einprägsam ausfiel: »Gott würfelt nicht!« Doch sein Kollege Niels Bohr bestand darauf, dass der Zufall im Mikrokosmos nicht nur auf Unkenntnis beruhe, sondern sogar von objektiver Natur sei.

Heute wird die auf Bohr zurückgehende Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik von den meisten Physikern akzeptiert. Dennoch geht die Suche nach einer deterministischen Beschreibung der Mikrowelt weiter, obwohl darüber nur selten berichtet wird. Umso erfreulicher ist es, dass sich in dem jetzt erschienenen Sammelband »Philosophie der Physik« auch ein Beitrag des Münchner Mathematikers Detlef Dürr findet, der über den gegenwärtigen Stand solcher Bemühungen informiert. Man muss Dürrs Auffassung hierzu nicht teilen, aber sie gibt wichtige Denkanstöße zum Verständnis der Quantentheorie und ist Ausdruck für die Vielfalt des philosophischen Diskurses in der Physik. Das gilt auch für andere Beiträge des Buches, wie Herausgeber Michael Esfeld betont: »Die Autoren argumentieren für bestimmte Positionen, so wie es in der Philosophie üblich ist.«

Die einzelnen Kapitel sind überschrieben mit: »Quantenmechanik«, »Teilchen und Felder«, »Quantengravitation und Kosmologie«, »Statistik, Symmetrien und Gesetze«. Ausgehend von der allgemeinen Relativitätstheorie wird überdies die Frage diskutiert, ob die Raumzeit eine von der Materie unabhängige Existenz besitzt, oder ob Raum und Zeit nur Abstraktionen von Beziehungen zwischen materiellen Körpern sind. Die moderne Physik, hört man oft, führe zwangsläufig zum Subjektivismus. Richtig ist, dass sie keinen Raum lässt für das, was Ernst Bloch einmal »Klotzmaterialismus« nannte. Dagegen wird mit dem sogenannten Strukturrealismus heute vielfach ein Konzept favorisiert, das mehr den Zusammenhang als die Vereinzelung der Dinge zur Grundlage einer objektiven Naturbeschreibung macht.

Für marxistisch geschulte Leser mögen die in dem Buch speziell verwendeten Begriffe wie Ontologie oder Substanz namentlich in der Debatte über die Raumzeit gewöhnungsbedürftig sein. Das ändert jedoch nichts an der hohen fachlichen Qualität der Beiträge, die einen breit gefächerten Eindruck davon vermitteln, wie heute über Physik philosophiert wird.

Michael Esfeld (Hrsg.): Philosophie der Physik. suhrkamp taschenbuch wissenschaft. 481 S., 18 €.

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