Rechte in Ostsachsen: »... wo keiner flucht und schimpft«

Rechtsstreit zwischen VVN Sachsen und Bautzner Baufirma wird im April per Gerichtsurteil entschieden

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Baufahrzeuge von Hentschke Bau wurden immer wieder Ziel von Brandanschlägen. Das politische Engagement des Firmenschefs gilt als mögliches Motiv
Baufahrzeuge von Hentschke Bau wurden immer wieder Ziel von Brandanschlägen. Das politische Engagement des Firmenschefs gilt als mögliches Motiv

Bei Hentschke gab es am Freitag einen Betriebsausflug. Gut drei Dutzend Mitarbeiter der Bautzener Baufirma waren zum Landgericht Dresden gekommen, um ihren Geschäftsführer Jörg Drews in seiner juristischen Auseinandersetzung mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) zu unterstützen. Kleidung mit dem Firmenlogo dominierte denn auch in den Zuschauerreihen des großen Verhandlungssaals, in den wegen des unerwarteten Andrangs gewechselt wurde. Nur vereinzelt waren dazwischen T-Shirts mit Anti-AfD-Parolen zu sehen, mit denen sich Unterstützer der VVN-BdA zu erkennen gaben.

Drews, den die linke Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz vor Prozessbeginn als »Millionär und Mäzen rechter Netzwerke« bezeichnete, zieht gegen eine Publikation zu Felde, die sich mit »unternehmerischem Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen« beschäftigt und in der der Bauunternehmer eine prominente Rolle spielt – zu Unrecht, wie er selbst meint. Er veranlasste daher eine Unterlassungsklage gegen den VVN-BdA. Dieser ist Träger des Recherchekollektivs 15°, das die 18-seitige Materialsammlung zusammengestellt hat. Verklagt wurde zudem das Else-Frenkel-Brunswick-Institut für Demokratieforschung (EFBI) der Universität Leipzig, das diese im Januar 2023 als »Policy Paper« veröffentlichte. Die Klage wird in Leipzig verhandelt; einen Termin gibt es noch nicht.

In der Auseinandersetzung mit dem VVN-BdA hatte das Landgericht Dresden zunächst einen Gütetermin angesetzt, der aber scheiterte. Hentschke forderte die komplette Löschung der Äußerungen, die sich auf die Firma und deren Chef beziehen. Über diesen heißt es im Papier, er unterstütze »alternative Medien«, darunter einen lokalen TV-Sender, der auch Aktivisten der Identitären Bewegung, Reichsbürger und AfD-Größen einlud. Erwähnt wird auch eine Spende an die AfD im Bundestagswahlkampf 2017. Drews’ Anwalt Carsten Brennecke sprach von »übersteigerten Schmähungen« und einem »bewusst unvollständigen« Bild. An die AfD habe der Unternehmer zu einer Zeit gespendet, als diese noch eine »andere Partei« gewesen sei; auch die Unterstützung für den lokalen TV-Sender liege lange zurück.

Der NS-Opferverband wies diese Darstellung zurück. Drews’ Hilfe für die AfD habe geholfen, dass diese »stark werden« konnte, sagte dessen Anwalt Alexander Hoffmann; die Unterstützung für »alternative Medien« habe zur »Normalisierung« rechter Diskurse beigetragen. Wenn von einem »extrem rechten Engagement« des Unternehmers die Rede sei, handle es sich damit um eine »erlaubte Bewertung«. Hoffmann wies die Forderung nach Löschung der strittigen Passagen zurück; dies käme einer »Unterwerfung« gleich: »Auf dieser Basis werden wir nicht zu einer Einigung kommen.« Damit muss eine Entscheidung von Richter Stefan Dreher gefällt werden, der das Urteil für 5. April ankündigte. Dreher hatte zu Beginn der Verhandlung angemerkt, dass er zeitweilig Mitglied und Landtagsabgeordneter der AfD gewesen sei: Er wolle »mit offenen Karten« spielen. Dreher trat 2018 aus der Partei aus.

In der anschließenden Beweisaufnahme ging es um einen in dem Dossier geschilderten Vorfall, der das Klima im Unternehmen illustrieren soll. Unter Verweis auf einen anonymen Hinweisgeber wurde dabei auf rechtsradikale Äußerungen bei Gesprächen in einem Pausenraum der Firma verwiesen. Diese Darstellung habe der Informant ihm gegenüber bestätigt, sagte Oliver Decker, Direktor des EFBI, der als Zeuge geladen war. In einem Gespräch, das der Verifizierung der Passage dienen sollte, habe er auch betont, es habe sich nicht um einen Einzelfall gehandelt. Rassistische Äußerungen würden nach Darstellung des ehemaligen Beschäftigten in der Firma »insgesamt toleriert«. Auf Nachfrage Brenneckes räumte Decker ein, seine Überprüfung habe erst nach Eingang der Unterlassungsklage stattgefunden.

Zwei Mitglieder des Betriebsrates zeichneten im Gegenzug das Bild eines Unternehmens, in dem Mitarbeiter mit Migrationshintergrund gut integriert seien und Ausländerfeindlichkeit kein Thema sei: »Mir ist in 20 Jahren keine Beschwerde über rassistische Vorfälle bekannt geworden«, sagte ein Schalungsmeister. Von Hoffmann mit einem Foto konfrontiert, das ein Firmenfahrzeug von Hentschke mit dem in der rechtsextremen Szene populären Slogan »Klagt nicht, kämpft« hinter der Frontscheibe zeigt, betonten die Zeugen, das verstoße gegen eine interne Anweisung der Geschäftsführung. Auch Kleidung rechter Szenelabels oder rechte Tätowierungen wollte keiner der beiden Zeugen je im Unternehmen gesehen haben. Anwalt Hoffmann kommentierte sarkastisch, er wundere sich, »was da in Ostsachsen los ist, wo keiner tätowiert ist, keiner flucht und keiner schimpft«.

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