Kulturförderung statt RWE-Aktien

Landschaftsverband Westfalen-Lippe verkauft Anteilsscheine - manche Kommunen tun sich damit schwer

Fast ein Viertel von RWE ist in staatlicher Hand. Fast 130 Kommunen, Zweckverbände oder städtische Unternehmen halten Aktien an dem Energiekonzern. Die meisten kommen aus Nordrhein-Westfalen, wo RWE auch seinen Sitz hat. Lange Zeit waren die Aktien des Konzerns für die dortigen Kommunen eine wichtige Einnahmequelle, denn RWE schüttete großzügig Dividenden aus. Die Einnahmen gehörten in mancher Stadt fest zum Haushaltsplan. Probleme bei RWE in den vergangenen Jahren, die mit Verlusten und fallenden Kursen einhergingen, führten auch bei den Kommunen zu Problemen. Mittlerweile geht es bei RWE wieder aufwärts. Der Kohleausstieg beschert dem Konzern Milliarden, und der Umbau zum reinen Energieproduzenten läuft gut. Die RWE-Aktie ist wieder etwas wert. Das und die in der Mitte der Gesellschaft angekommene Debatte um Klimaschutz sorgen für neue Debatten um den Verkauf von RWE-Aktien.

Einen größeren Verkauf gab es Anfang Oktober. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), ein Zusammenschluss von Kommunen, der unter anderem Kliniken und Museen betreibt, veräußerte ein Viertel seiner RWE-Aktien. Der Erlös aus dem Verkauf von fast 1,7 Millionen Aktien betrug über 53 Millionen Euro. Geld, das jetzt in die Kulturförderung und soziale Projekte gesteckt werden soll. Wie die »Westfälischen Nachrichten« berichteten, hatte LWL-Direktor Matthias Löb ursprünglich sogar drei Viertel der gehaltenen RWE-Aktien verkaufen wollen. Dagegen sprachen sich allerdings CDU und SPD aus. Löb sieht den Besitz der Anteilscheine kritisch: »Wir haben aus der WestLB gelernt, dass wir als Kommunalverband nicht beurteilen können, wie sich die Märkte in Kanada, Australien und den USA entwickeln.« Außerdem sei RWE der größte CO2-Emittent in Europa. Der Verkauf der RWE-Aktien geht auf einen Beschluss der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe von vor einem Jahr zurück und fand erst nach der damals gesetzten Frist statt.

Den späten Verkauf kritisieren Aktivisten der Gruppe »Fossil Free Münster« - sie hatten 2019 mit einem Baumhaus vor dem Landeshaus des LWL für den Verkauf protestiert. »Dass der LWL es bei einem Jahr Zeit erst am Tag nach Fristablauf schafft, seine Aktien zu verkaufen, ist wirklich ein Armutszeugnis. Das lässt tief blicken, welchen Stellenwert der Klimaschutz im Landschaftsverband hat«, kritisiert Gustav von Blanckenburg. Der Verkauf jetzt sei nur ein »erster Schritt in die richtige Richtung«, erklärt Fossil-Free-Aktivistin Deborah Größwagen. Er zeige aber, dass der öffentliche Druck der Klimabewegung Wirkung entfalte. Um sich deutlich für den Klimaschutz zu positionieren, müsse der Verband allerdings »alle seine Aktien am Klimakiller RWE abstoßen«, so Größwagen. Außerdem sei es an der Zeit, Anlagerichtlinien zu beschließen, die Investitionen in Kohle, Öl und Gas in Zukunft ausschließen.

Ansonsten regt sich derzeit nicht viel, was die Verkäufe von RWE-Aktien in Nordrhein-Westfalen betrifft. Vor knapp einem Jahr hatten die Städte Bochum und Düsseldorf ihre Aktien verkauft. In Düsseldorf mit dem dezidierten Ziel, mit den Erlösen den Nahverkehr zu stärken. Aus Dortmund, dem größten kommunalen RWE-Aktionär, gibt es hingegen das Bestreben, sich noch stärker an RWE zu beteiligen. Anfang des Jahres äußerte sich der scheidende Oberbürgermeister Ullrich Sierau positiv zu einer Aufstockung. RWE treibe den Umbau zum Ökostromanbieter voran und sei in den letzten Jahren wieder ein verlässlicher Dividendenzahler geworden, so sein Argument. Dies spreche dafür, die städtischen Aktienpakete aufzustocken. Derzeit hält die Stadt Dortmund fast vier Prozent an RWE. Wie es dort nun weitergeht mit der Beteiligung, wird politisch entschieden werden müssen. Gemeinsam mit der CDU hätte die SPD eine Mehrheit, um an RWE festzuhalten.

Die Grünen hatten sich vor den Kommunalwahlen, die Mitte September stattfanden, für einen Verkauf der Aktien ausgesprochen. Die Haltung der Partei, die bei den Wahlen massiv gewonnen hat, zum Verkauf von RWE-Aktien dürfte für den Bestand der Beteiligungen ein entscheidender Faktor in zahlreichen Städten sein. In Mülheim an der Ruhr etwa gibt es eine schwarz-grüne Mehrheit, es laufen Sondierungsgespräche. Die Grünen würden das große RWE-Paket der Stadt gerne verkaufen, die CDU allerdings nicht. Auf nd-Anfrage teilte eine Sprecherin der NRW-Grünen mit, dass der Landesverband kommunale Fraktionen dabei unterstütze, wenn sie »die Veräußerung kommunaler RWE-Beteiligung vorantreiben wollen«. Auch der Austausch zwischen Fraktionen werde gefördert.

Wie es auch außerhalb des Parlaments möglich ist, auf die kommunale Energieversorgung Einfluss zu nehmen, zeigt derweil die Gruppe »Klimawende Köln«, die seit Anfang September Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammelt. Ihr Ziel: Der städtische Versorger Rheinenergie soll ab 2030 nur noch Ökostrom produzieren.

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