Grüne Knickfalte

Leo Fischer über eine Partei, die sich schon vor der Juniorpartnerschaft das Rückgrat bricht

Angeblich gehen ja die althergebrachten deutschen Sekundärtugenden mählich verloren, werden Fleiß, Disziplin und Kadavergehorsam selten noch erreicht, taugen nur mehr als Vorlage für ausgelutschte Bahn- und Postwitze. Und auch all die anderen Metaphern für »kostenlose Mehrarbeit«, die sich über die Jahrhunderte auf dem Dachboden des ideologischen Überbaus angesammelt haben, werden nur mehr zu besonderen Festtagen hervorgeholt.

Wie überraschend, dass es ausgerechnet die Grünen sind, die neuerdings mit diesen Tugenden reüssieren. Einst als Sandalen-, Hippie- und allgemeine Wurschtelpartei angetreten, findet man derzeit nirgendwo sonst eine solche Hingabe, ja Unterwürfigkeit unter die preußischen Tugenden. Mit eiserner Disziplin wird ein potenzieller schwarz-grüner Koalitionsfrieden gehalten, der überhaupt erst einmal herzustellen wäre.

Niemand hat sie darum gebeten, niemand hat sie gefragt, und doch handeln sie überall so, als gelte es schon jetzt, für die Untaten der CDU/CSU geradezustehen. In Stuttgart legt Winfried Kretschmann ein Gelübde auf die Wohlanständigkeit der Polizei ab, wie man es salbungsvoller auch nicht von Olaf Scholz gehört hätte. In Hessen hingegen hüllen sich die Grünen, hier schon auf dem Beifahrersitz von Schwarz, in wahlweise beredtes Schweigen oder Zweckform-Formulierungen, wenn es um rechtsradikale Netzwerke in den Sicherheitsbehörden oder Drohungen gegen Satirikerinnen geht, oder um Sperrfristen für NSU-Akten, die leider leider bis ins Jahr 3000 verlängert werden müssen. Überall geben sie sich staatstragend. Selbst da, wo der Staat auseinanderfällt, halten sie einem Landesinnenminister die Stange, den sie mit einem Rest von Selbstachtung eigentlich rauswerfen müssten.

Dieser vorauseilende Gehorsam ist ein schöner Erfolg der CDU, die ihrem Juniorpartner normalerweise erst in der Regierung das Rückgrat bricht, indem sie ihm jedes Jahr zwei Prozentpunkte mehr abpresst. Wie praktisch: Die Grünen haben sich das Rückgrat schon lange vor der Wahl vorgebrochen, die praktische Knickfalte an der rückstandsfrei recycelbaren Nahrungsergänzungspolitik. Schwarz-Grün darf auf keinen Fall scheitern, sogar Friedrich Merz ist dafür.

Arbeiten müssen dafür allerdings nur die Grünen. Während die CDU sich mit Armin Laschet, Philipp Amthor und Horst Seehofer eine Peinlichkeit nach der anderen leistet, stehen die Grünen dafür gerade; für Taten, die sie gar nicht begangen haben. Die Innigkeit durchdringt alles: Sehr vielsagend war es, dass in der Auseinandersetzung um eine polizeikritische Kolumne der Grünen-nahen Taz sich die Chefredaktion nolens volens bei Seehofer entschuldigte, der wiederum Statements der Chefredaktion in seiner Anklage zitierte.

Seehofer wird nicht einmal mehr in der eigenen Partei viel zitiert; die grüne Taz hingegen lässt sich von ihm noch zum Gespräch bitten, wie die reumütigen Schüler vom Direktor.
Für die CDU könnte diese Eilfertigkeit tatsächlich noch zum Problem werden: Wenn sich die Grünen schon vor der Wahl verbrennen, welche Positionen bleiben dann noch übrig, um sie in der Koalition zu opfern? Wenn die Grünen jetzt schon auf dem Niveau der gänzlich zerstörten SPD herumwieseln, auf wen lässt sich der Zorn der Wähler dann umleiten? Und: Reicht Schwarz-Grün dann überhaupt für eine komplette Legislatur?

Die »Stimme der Vernunft« wünscht sich einen schonenden Umgang der CDU mit den Grünen. Wir haben die Grünen nur von unseren Kindern geliehen! Grüne sind keine nachwachsende Ressource! Wenigstens hier könnten die Nachhaltigkeitsziele der Union erreicht werden.

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