Neue Arbeit für Merkel

Ost-Ministerpräsidenten unterbreiteten Erwartungen an das nächste Förderprogramm des Bundes

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine neue Runde der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel solle es zum Thema Corona nun nicht mehr geben, hatte Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) nach dem letzten Treffen am Vortag noch erklärt. Die Entscheidungen über Beschränkung und Lockerung seien nun wieder fest in Länderhand, hieß das. Und in den Medien hatte es prompt erste Analysen über den Machtverlust der Bundeskanzlerin zur Folge. Doch erstens ließ Merkel gegenüber der Presse wissen: Wann immer die Länder den Wunsch hätten, mit ihr zu sprechen, »dann wird das gemacht«. Und ihr nächstes reguläres Treffen mit den Ministerpräsidenten ist auf den 17. Juni terminiert. Und wird sicher nicht ohne das Thema ablaufen.

Ganz so streng sind Bund und Länder ohnehin nicht auf Abstand bedacht, wie sich schon einen Tag später zeigte. Am Mittwoch traf man sich erneut - diesmal in ausgewählter Runde mit den Ministerpräsidenten der östlichen Bundesländer. Per Videoschalte, versteht sich. Am Dienstag war es um gemeinsame Regeln wie etwa die Kontaktbeschränkungen gegangen, die auch weiterhin zumindest bis zum 29. Juni gelten sollen. Einzelne Länder machten in Protokollerklärungen aber bereits deutlich, dass sie in Teilen davon abweichen wollen. Am Mittwoch nun ging es bereits um die Überwindung der Krise. Genauer: um die Erwartungen, die die ostdeutschen Länder gegenüber dem Bund hegen. Ihre Wirtschaftsstrukturen erforderten besondere Berücksichtigung bei der geplanten Konjunkturförderung, hatten sie in einer Beschlussvorlage der Regierungskanzleien deutlich gemacht, über den die Nachrichtenagentur dpa bereits vor dem Treffen berichtete.

Bei den Milliardenzuwendungen des Bundes will man nicht zu kurz kommen. Die spezifisch ostdeutschen Strukturen seien geprägt von kleinen Unternehmen, einem besonders hohen Anteil auch von Soloselbstständigen, die über eine deutlich geringere Widerstandskraft gegen ökonomische Schocks verfügten und im Verhältnis stärkere Unterstützung benötigten.

Die Unterschiede zwischen Ost und West könne man schließlich nicht »wegdiskutieren«, wie Michael Müller (SPD) im Anschluss an das Treffen am Mittwochnachmittag auch bei einem gemeinsamen Auftritt mit der Bundeskanzlerin vor der Presse erklärte. Immerhin scheinen die Regierungschefs ein offenes Ohr gefunden zu haben. Sie habe aus der Runde »neue Aufgaben für das Konjunkturprogramm« mitgenommen, erklärte Merkel. Startups, außeruniversitäre Forschung, regenerative Energien - all das seien Felder, auf denen gerade die neuen Länder ihre Chance ergreifen müssten und für die sie auch Unterstützung benötigten.

Die Wissenschafts- und Forschungslandschaft im Osten war auch in dem Papier der Landesregierungen extra genannt. Hier sehen die östlichen Länder viel Nachholbedarf und zugleich die Möglichkeit des Bundes, gezielt Prioritäten zu setzen. Bisher sind Bundesbehörden ebenso wie Wissenschaftsstandorte im Osten wesentlich rarer als im Westen - und dies trotz gegenteiliger Absichtserklärungen des Bundes seit vielen Jahren.

Eine gemeinsame Erklärung über 30 Jahre deutscher Einheit habe man verabschiedet, freute sich stattdessen Angela Merkel. Und dass dies kein Thema allein der ostdeutschen Länder sei, beteuerte Müller auf eine entsprechende Journalistenfrage. Bei dieser Beteuerung verhält es sich wohl so ähnlich wie mit den Sonderwegen der verschiedenen Bundesländer im Umgang mit der Coronakrise: Die Lockerungen sind ihnen näher als der Rock der bundesweiten Auflagen. Auch wenn Müller und die Kanzlerin erneut versicherten: Es gälten bei aller föderalen Selbstständigkeit die gemeinsamen Regeln wie Abstandsgebot, Mund-Nasenschutz oder die Norm, dass ab einer Zahl von 50 Neuerkrankungen auf 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen Lockerungen in Landkreisen wieder zurückgenommen werden. Der Bund verfolge die Entwicklung so leidenschaftlich aufmerksam wie die Länder, versicherte Angela Merkel.

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