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Dem Meeresspiegel ist das Eis schnuppe
Dr. Steffen Schmidt über das schmelzende Polareis, den Golfstrom und Eisbären vor Hamburg
Es wird heißer und die Arktis schmilzt schneller. Ist das eine Überraschung?
Eigentlich nicht. allerdings schmilzt sie deutlich schneller als früher prognostiziert wurde. Ob das auch für das aktuelle Jahr gilt, kann man natürlich nicht sagen, denn das ist ja noch lange nicht zu Ende. Aber das vergangene Jahr war auf jeden Fall schon ein sehr warmes Jahr auf der Nordhalbkugel. Die Tendenz, dass das ewige Eis weniger wird, ist schon seit Jahren festzustellen. Sein Rand wandert immer mehr in Richtung Nordpol. Im September wird gewöhnlich das Minimum erreicht. Und was dann im Winter wieder zufriert, ist inzwischen so dünn, dass es eben auch relativ schnell wieder auftaut. Das heißt, die Menge des alten und dicken Eises, die nimmt massiv ab. Und auch die Gletscher der größten Insel da oben, Grönland, schwinden deutlich schneller als erwartet.
Wird Grönland nun kleiner?
Nö, kleiner wird es nicht. Eher ein klein wenig größer. Wenn nämlich der Eispanzer immer leichter wird, dann geht das davon runtergedrückte Land wieder in die Höhe, was natürlich an den Rändern damit verbunden sein kann, dass die Insel etwas in die Breite geht. Ob das viel nützt, ist allerdings die Frage, weil bei schmelzendem Gletschereis der Meeresspiegel steigt.
Ist das der Kern der Klimakatastrophe? Dass die Arktis schmilzt und der Meeresspiegel steigt?
Dass das Eis um den Nordpol schmilzt, wäre für sich genommen noch nicht der Kern der Katastrophe. Das Eis dort schwimmt ja auf dem Polarmeer. Dem Meeresspiegel ist es schnuppe, ob da Eis oder Wasser ist, die Wassermenge ändert sich dadurch nicht. Ob das zusätzliche Süßwasser im Nordatlantik womöglich den Golfstrom bremst, ist eine andere Frage. Für flache Inseln sind die Gletscher von Grönland das Problem. Wenn die schmelzen, werden einige Südseeinseln untergehen. Richtig böse wird es, wenn das Gleiche am Südpol passiert. Denn das ist tatsächlich ein echter Festlandkontinent, auf dem gigantische Wassermengen als Eis liegen. Wenn davon größere Mengen schmelzen, dann müssen sich auch die Holländer und die Hamburger und Bremer wahrscheinlich bessere Gummistiefel kaufen.
Und ist es möglich, dass dann wie im Trickfilm ein Eisbär auf so einer Eisscholle im Hamburger Hafen auftaucht?
Eher unwahrscheinlich. Da müsste er auf dem langen Weg übers Meer immer etwas zu Fressen finden. Auf den letzten Meilen in der Nordsee wird das schwierig, denn schon jetzt ziehen sich viele Nordseefische wegen der Erwärmung nach Norden zurück. Außerdem müsste sich der Eisbär bei den dann zu erwartenden Wassertemperaturen auf einer verdammt großen Eisscholle befinden, damit während seiner Reise davon noch genug übrigbleibt. So dass er wenigstens bis in die Nähe von Hamburg käme, um den Rest schwimmend zu erledigen.
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