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Braindrain umgekehrt

Chinesische Studierende gehen mehrheitlich nach dem Auslandsstudium zurück.

  • Reinhard Renneberg, Hongkong
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Biolumnist, obzwar im »Unruhestand«, ist für zwei Monate zurück in seiner zweiten Heimat Hongkong. Und was liest er in der englischsprachigen »South China Morning Post« (SCMP) vom 7. September? »Unsere Auslandsstudenten: 83 Prozent kommen heim!« Sage und schreibe 600 000 junge Chinesen und Chinesinnen haben letztes Jahr im Ausland studiert, davon die Hälfte in den USA.

Noch 1995 schickten sie in der Mitte ihres Studiums etwa 20 Bewerbungen an US-Unis. Das war wie ein Lotterie-Spiel. Breit gestreut, egal welche Studienrichtung. Und etwa 95 Prozent der Diplomanden blieben danach im Ausland, wurden aber daheim keineswegs als »Verräter« geschmäht. Interessant!

Dieser Braindrain ging vor allem Richtung USA, die nicht erst seit der Flucht vieler jüdischer Wissenschaftler aus Europa in den 1930er Jahren von der Zuwanderung massiv profitieren.

Für chinesische Forscher kehrt sich die Marschrichtung nun um. Was ist passiert?

Da ist zum einen die Atmosphäre in den USA. Die SCMP titelt ironisch: »Thanks, Donald!« Trump hat gerade in seiner typischen Art vor US-Geschäftsleuten gepoltert: »Fast jeder Chinese hier ist ein Spion!«. Das lief wiederholt im Zentralen China TV. Wow, 300 000 Spione. FBI-Direktor Christopher Wray legt nach: »Die chinesischen Studenten bedrohen zunehmend unsere Gesellschaft!«

Bisher waren Chinesen an den US-Unis hochwillkommen - als zuverlässig zahlende Gaststudenten. Nun aber werden sie misstrauisch beäugt. Hinzu kommt, dass die Trump-Administration dramatisch Forschungsmittel kürzt.

Überdies sind inzwischen die Gehälter für gute Forscher in China ausgesprochen attraktiv. Sie sind jetzt schon doppelt so hoch wie in den USA. 600 000 Yuan (immerhin etwa 63 000 Euro) bekommt laut SCMP ein Postdoc an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften pro Jahr. Ein Vielfaches des Durchschnittslohnes in China. Und die chinesischen Headhunter kommen frühzeitig in die Unis.

Meine alten chinesischen Kollegen erinnern sich noch gut an ein Mao-Zitat, das eigentlich auf Josef Stalin zurückgeht: »Wenn die Linie stimmt, dann entscheiden die Kader alles.«

Ein passendes Beispiel für unsere Biolumne: Dem Postdoc Liu Zhen am Schanghaier Institut für Neurowissenschaften, der am weltweit ersten Klonieren eines Affen beteiligt war, bot man nun eine Stelle an - als Institutsdirektor. Er ist gerade mal 30 Jahre alt.

Prognose: In spätestens zehn Jahren kommen wissenschaftliche Topmeldungen zunehmend aus China. Der schlafende Wissenschaftsriese ist nun erwacht. Deutschland sollte die Kooperation suchen.

Noch vor zehn Jahren sprachen meine US-Kollegen, leicht arrogant, von ihren »Chinese tools« (Werkzeugen) und meinten damit die bienenfleißigen, anspruchslosen chinesischen Studenten.

»Ohne gutes Werkzeug geht rein gar nichts«, sagen mir, dem Prof mit zwei »linken« Händen, ständig meine beiden handwerklich perfekten Schwäger und mein Ingenieurs-Schwiegersohn bei BMW in Leipzig.

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