Gleichberechtigter Hochschuldialog
Bildungsrauschen
Bevor es das Thüringer Hochschulgesetz novellierte, suchte das Wissenschaftsministerium die Diskussion mit den Betroffenen. Initiiert als Thüringer Hochschuldialog diskutierte man mit Hochschulangehörigen, Zivilgesellschaft und Interessierten über Strukturen der Hochschulen und Mitwirkungsmöglichkeiten sowie über Studienbedingungen und Beschäftigungsverhältnisse im akademischen Bereich. Nach einer gut besuchten Auftaktveranstaltung Anfang 2016 im Erfurter Augustinerkloster folgten Diskussionen in sieben Regionalforen, die bis zu 700 Teilnehmer anzogen. Orte waren unter anderem Jena, Gera und Weimar. Ergebnisse der Foren flossen dann als erste Änderungen in die Vorschläge des Ministeriums und wurden anschließend in Werkstattgesprächen mit zentralen Akteuren des Thüringer Hochschulsystems nochmals debattiert.
Beispielsweise stieß die in puncto Mitbestimmung vorgeschlagene »paritätische Zusammensetzung von Senat und Fachbereichsrat« auf breite Zustimmung. Hinter den eingebrachten Vorschlag nach »Stimmenmehrheit der Hochschullehrer in Angelegenheiten von Forschung und Lehre« stellte sich die Linkspartei, da dieser den »verfassungsrechtlichen Vorgaben aus dem Hochschullehrerurteil 1973« entspreche. Hingegen sprach sich die Koordination Thüringer Studierendenschaft (KTS) für eine »Parität in allen Angelegenheiten« aus und plädierte für die Übernahme des sogenannten Berliner Modells, das eine Viertelparität vorsieht. Alternativ stand der Vorschlag einer Regelung zur »Gewährleistung der verfassungsrechtlich notwendigen Professorenmehrheit« im Raum (thueringen.de).
Die Zustimmung sowohl zur Art und Weise der vom Ministerium angeregten Debatte als auch zum Inhalt der Gesetzesnovelle fiel unterschiedlich aus. So rief der Hochschulverband Thüringen seine Mitglieder dazu auf, sich »aktiv in die Diskussion einzubringen«, forderte aber nach Verabschiedung des Landeshochschulgesetzes Korrekturen bezüglich der »Bestimmungen zur Zusammensetzung des Senats« (hochschulverband.de).
Skeptisch zeigten sich von Beginn an die Hochschulräte, deren Mitglieder meist nicht den Hochschulen angehören und die sich aus Angehörigen von gesellschaftlichen Verbänden und aus dem Wirtschaftsmanagement zusammensetzen. Die Hochschulräte befürchteten ein Zuviel an Mitbestimmung durch die Studenten und sahen sich hierin durch die Ankündigung von Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), das Verhältnis von Präsidium, Senat und Hochschulrat »neu zu justieren«, bestätigt (forum-hochschulraete.de).
Demgegenüber begrüßte die GEW Thüringen die Veranstaltungen. Sie bekräftigte die Forderung der KTS nach genereller paritätischer Besetzung. Auf Sympathien stieß bei der Bildungsgewerkschaft auch die Absicht, die Personalkategorie »Akademische Mitarbeiter*innen« einzuführen, die Lehrkräfte für besondere Aufgaben und wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter umfassen soll. Die Tatsache, dass Tiefensee und sein Staatssekretär Markus Hoppe bei allen Veranstaltungen zugegen waren, wurde von der GEW als »ernsthaftes Interesse an diesem Dialog« gewertet (gew-thüringen.de). Lena Tietgen
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