Lachen, ohne zu weinen

Jürgen Amendt über die Satire-Künste der Bundeszentrale für politische Bildung

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 1 Min.

Frei nach Tucholsky gesagt: Satire darf alles. Muss sie aber auch alles? Mitte Juni schreckte die Satirezeitschrift »Titanic« mit einem Tweet zum Streit zwischen CDU und CSU, in dem das Ende der Fraktionsgemeinschaft der beiden Parteien verkündet wurde, die halbe Republik auf. Etwa zur gleichen Zeit machte in den sozialen Netzwerken die Meldung von einem ominösen Internet-Sender namens »Wahre Welle TV« die Runde.

»Garantiert unzensiert und zwangsgebührenfrei« wolle man über Verschwörungen aufklären. Im Trailer wurde mit düsterem Ton angekündigt: »Es kommt die Zeit, in der das Kartenhaus der Lügen zusammenbricht.« Seit Montag wissen wir: Dahinter verbirgt sich keine rechte Plattform, sondern ein Satire-Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung.

Es gab eine Zeit, in der man über derartige PR lachen konnte. Satire war folgenlos, sie befreite, weil sie selbst in ihrer bissigsten Form nie an die Realität heranreichte. Seit die AfD im Bundestag sitzt und deren Sprechweisen den Ton der politischen Debatten und deren Denkweisen den Inhalt der Politik bestimmen, seit selbst einstmals eherne Gewissheiten wie die Demokratie, die bürgerlichen Grundrechte oder die CDU/CSU-Fraktionsgemeinschaft zur Disposition stehen, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Oder, frei nach Tucholsky: Wir müssen lernen zu lachen, ohne dabei zu weinen.

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