Bildungslexikon
Marburger Manifest. Im April 1968 verabschiedeten zunächst 35 konservative Hochschullehrer der Universität Marburg das »Marburger Manifest«. In sechs Punkten formulierten sie ihre Vorbehalte gegenüber der Einführung des Proporzsystems, das die Mitbestimmung Studierender an den Hochschulen vorsah. Damit werde die durch Grundgesetz und Hochschulselbstverwaltung garantierte Freiheit in Wissenschaft, Forschung und Lehre gefährdet, kritisierten die konservativen Professoren. Studierende könnten keine parlamentarischen Volksvertreter ersetzen. Überhaupt sei fraglich, ob eine Studentenschaft als »Zwangsorganisation mit politischem Mandat überhaupt rechtens« sei. Die Gleichstellung von Studierenden mit »disziplinarrechtlich verantwortlichen Hochschullehrern« sei undenkbar, seien doch erstere weder verantwortlich noch hätten sie »genügend Sachkenntnis«.
Man befürchtete auch ein »Anschwellen« der Hochschulgremien zu »unübersichtlicher Größe« sowie ein »Zermürben der Arbeitsmoral der Wissenschaftler« durch »endlose Debatten«. Die Einwände mündeten in der Empörung, dass bis dato »keine Kulturstaaten der Erde auf die Idee gekommen seien, ihre Universitäten zu demokratisieren«.
1970 gründete sich ein noch weiter rechts stehender Verband, der »Bund Freiheit der Wissenschaft«. Der Historiker Ernst Nolte sah in diesem im Gegensatz zur »ewig gestrigen« Ausrichtung des »Marburger Manifests« etwas »sehr Zukünftiges und durchaus nicht Ständisches«. Überparteilichkeit und mediale Aufmerksamkeit garantierten eine zügige Etablierung in der BRD. Die Mitinitiatoren Karl Holzamer (damaliger ZDF-Intendant) und Gerhard Löwenthal (ZDF-Moderator) betonten vor allem das Narrativ eines drohenden kommunistischen Umsturzes. Fast wöchentlich berichtete Löwenthal über angeblich »verfassungsfeindliche studentische Unruhen«. tgn
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