Nur Restposten?

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Zahl klingt gigantisch. Bundesweit werden bis zum Jahr 2025 rund 35 000 reguläre Grundschullehrer fehlen, so das Ergebnis der Studie von den Bildungsforschern Klaus Klemm und Dirk Zorn im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, vorgestellt im Januar dieses Jahres. (bertelsmann-stiftung.de)

Dieser Mangel wirft viele Fragen auf. Allen voran die nach der Kompensation. Quereinstieg, Wechsel von Gymnasiallehrern in die Grundschulen, Rückkehr pensionierter Lehrkräfte. Vieles wird diskutiert, auch bei Usern auf zeit.de. Hier befürchten viele eine Zunahme an Privatschulen. »Vor allem wird es künftig einen boomenden Privatschulmarkt geben; die Konkurrenz um die besten Pädagogik-Absolventen wird dann nochmals härter werden«, postet Danke für dieses Geräusch.

Die Bemerkung zeigt, dass mit weiteren Verwerfungen gerechnet wird. Ein Blick in die Geschichte zeigt aber auch, dass der Personalstand in den Schulen schon immer einer Konjunktur unterworfen war. Bereits mit dem ersten Examen für Gymnasiallehrer um 1810, dem examen pro facultate docendi als Vorläufer des heutigen Staatsexamens, konnten aufgrund des geringen Zulaufs weniger Lehrkräfte als gewünscht geprüft werden. Preußen beklagte bis Ende der 1830er Jahre einen eklatanten Lehrermangel, dem bis Anfang der 1850er ein Lehrerüberschuss folgte. Gravierende Einschnitte, wie der Einzug der Männer in den Krieg, führten ebenfalls zu Lehrermangel wie das Fehlen männlicher Lehrkräfte nach dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Personallücke begegnete man mit der Ausstellung sogenannter Persilscheine, also von »Unbedenklichkeitsbescheinigungen« für Lehrkräfte des NS-Regimes. Dennoch blieb ein latenter Lehrermangel bis in die 1960er Jahre bestehen.

1963 prognostizierte die Kultusministerkonferenz einen Bedarf von 300 000 Schulpädagogen bis 1970. 1964 skizzierte der Lehrer Georg Picht in seinem Artikel »Die deutsche Bildungskatastrophe«, veröffentlicht in der evangelischen Zeitschrift »Christ und Welt«, einen »Bildungsnotstand«. Bekannt ist die Ende der 60er Jahre durchgesetzte Bildungsoffensive der Sozialdemokraten, die zu einem durchlässigeren Schulsystem führte. Nur mit der Folge, dass zwischen 1968 und 1975 der Lehrermangel sich wieder verstärkte. Viele gymnasiale Lehrkräfte wurden »nebenberuflich« eingestellt oder kamen aus dem Ausland.

Ende der 70er Jahre waren ausreichend Lehrkräfte ausgebildet. Es gab eine Überschuss und eine Lehrerarbeitslosigkeit.

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