Die Sirenen des Internetzeitalters
Sachsen weitet webbasiertes Katastrophen-Warnsystem aus
Der jüngste bundesweite Einsatz liegt gerade knapp einen Monat zurück. Ende September drohte ein Erpresser, Lebensmittel in Handelskonzernen zu vergiften. Innerhalb kürzester Zeit gingen Warnungen über Fernsehen, Rundfunk, die Nachrichtenagenturen sowie die WarnApp »NINA« auf Smartphones an die Bevölkerung. Hinter dieser Alarmierung steht das Modulare Warnsystem MoWaS. Flächendeckend für den Freistaat Sachsen wurde die webbasierte Variante des vom Bund betriebenen Dienstes am Mittwoch durch Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) in der Integrierten Regionalleitstelle (IRLS) in Hoyerswerda freigeschaltet.
Die Vorteile des Systems liegen für den Minister auf der Hand. »Die Zahl der Naturkatastrophen aber auch der Terroranschläge in Europa ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Um im Bedarfsfall möglichst viele Menschen vor größeren Schäden zu bewahren, brauchen wir eine zeitgemäße Kommunikation im Zivil- und Katastrophenschutz«, sagte Ulbig. Mit MoWaS kann die Bevölkerung künftig schneller vor Orkanen, Hochwasser, technischen Katastrophen oder Amoklagen gewarnt werden. Konventionelle Warneinrichtungen wie Sirenen oder Lautsprecher sollen jedoch erhalten bleiben.
Nach Ende des Kalten Krieges wurde das Zivilschutz-Sirenennetz abgebaut beziehungsweise den Kommunen zur Übernahme angeboten. Ein bundesweites Warnsystem mit Weckeffekt, das den Bürger jederzeit auf drohende Gefahr aufmerksam macht und auffordert, sich zu informieren, stand seither nicht mehr zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund wurde ab 2001 ein bundeseigenes Satellitengestütztes Warnsystem entwickelt, aus dem MoWas entstand. nd
Bis Ende 2017 soll das webbasierte Warnsystem auch in den Regionalleitstellen in Dresden, Leipzig, Chemnitz und Zwickau ans Netz gehen. Bislang konnten landesweite, satellitengestützte Warnungen nur über das Lagezentrum des Innenministeriums und das IRLS in Hoyerswerda verbreitet werden. »MoWaS ist ein System für alle. Nur wer rechtzeitig gewarnt wird, kann sich rechtzeitig in Sicherheit bringen und das Richtige tun, um sich und andere zu schützen«, sagte Christoph Unger, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK).
Im Fall einer Katastrophe verbreiten sich die Informationen per Mausklick in den Leitstellen in Sekundenschnelle sowohl in den konventionellen Medien wie auch über die WarnApp »NINA«. »Die meisten haben inzwischen ein Smartphone und damit auch immer eine Taschensirene zu jeder Tageszeit dabei«, sagte Unger. Neben der Warnung enthielten die Meldungen auch Handlungshinweise wie »Fenster schließen« oder »Bitte bleiben Sie zu Hause«. »NINA« hat derzeit bereits zwei Millionen Nutzer.
Das Bundesamt stellt seit 2013 mit MoWaS die technische Infrastruktur zur Warnung der Bevölkerung für alle Lagezentren der Länder und viele bereits angeschlossene Leitstellen von Städten und Kommunen zur Verfügung. 20 Millionen Euro sind nach BKK-Angaben in das Projekt geflossen. Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sind bereits flächendeckend vernetzt. Ziel ist es, so Unger, dass alle Bundesländer zwei vollständige MoWaS-Stationen erhalten.
Die Kosten des Modellversuchs in Sachsen trägt für die kommenden zwei Jahre der Bund. »Die webbasierten Lösungen kosten pro Jahr und Station 2500 Euro«, erklärte Unger. Nach dieser Zeit müssten die Landkreise und kreisfreien Städte entscheiden, ob sie das System dauerhaft einsetzen wollen. In diesem Jahr wurden darüber bereits mehr als 250 Warnungen ausgelöst. 2016 gab es laut Behördenangaben knapp 150 MoWaS-Einsätze. dpa/nd
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