Junge Union auf Abwegen

Niedersachsens CDU-Jugend warnt zur Landtagswahl vor einem rot-rot-grünen Bündnis - und provoziert dafür mit AfD-ähnlichen Parolen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Karl Marx, Ernst Thälmann, Werktätige und viele weitere Menschen hinter sich - so läuft eine Frau mit einem Arbeiterbanner dem Betrachter des 1969 von Gerhard Bondzin geschaffenen Monumentalbildes »Der Weg der roten Fahne« am Dresdner Kulturpalast den Betrachtern entgegen. In ganz ähnlichem Gestus wie jene Symbolfigur der Arbeiterbewegung schwingt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) das rote Tuch, selbiges geziert mit Hammer und Sichel, dem Zeichen der Sowjetunion. Nicht vor der Staatskanzlei in Hannover, sondern auf einem Wahlkampfbild der Jungen Union (JU).

Mit der Karikatur, derzeit im Internet verbreitet, bemüht sich der Unions-Nachwuchs, dem Wählervolk einzuhämmern, der Regierungschef wolle nach der Landtagswahl eine Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei bilden. Obwohl es sich dabei eher um ein imaginäres Bündnis handelt, hat es Weils CDU-Gegenkandidaten Bernd Althusmann - hier und da mit dem Spitznamen »Panzer« bedacht - offensichtlich dünnhäutig werden lassen. Ist es nur die kalte Angst vor einem tatsächlichen Erfolg, die ihn zurzeit bei allerlei Auftritten gebetsmühlenartig warnen lässt, Rot-Rot-Grün sei das Schlimmste, was den Menschen in Niedersachsen drohen könnte?

Und die Junge Union warnt mächtig mit, wobei deren Agieren über das Warnen hinausgeht, den auch im scharfen Wahlkampf gebotenen Rahmen der Seriosität verlässt und suggeriert, Rot-Rot-Grün sei bereits so gut wie beschlossene Sache. Legen die Althusmann-Jünger doch dem Ministerpräsidenten, den sie - natürlich - in ein rotes Hemd gesteckt haben, die Forderung »Rot-Rot-Grün für Niedersachsen« in den Mund.

Die dann folgende Aufzählung all der »bösen Sachen«, die jene Koalition nach Ansicht der Jungunionisten anstrebt, könnte passagenweise auch Wahlkampftexten der AfD entsprungen sein. So wolle Rot-Rot-Grün »Türkisch- und Arabisch- statt Deutschunterricht, damit sich Parallelgesellschaften bilden«. Ebenfalls auf der rot-rot-grünen Agenda stehe die »Abschaffung des Verfassungsschutzes, damit Terroristen und Extremisten in unserem Land schalten und walten können«. Die in JU-Augen gruslige Koalition plädiere zudem gegen die Abschiebung ausländischer Straftäter, »damit in Niedersachsen die Kriminellen freien Lauf haben«.

Woher die Junge Union all diese Weisheiten hat, verrät sie nicht. Sind es tief liegende, irrationale Ängste, zusammengebraut im Bierdunst oder beim Rauchen irgendwelcher verbotener Kräuter? Bilder aus Albträumen nach zu viel abendlicher Oktoberfesthaxe? Fragen, die gestellt werden dürfen, hat es doch unter den vermeintlichen Koalitionären nicht einmal »Sondierungsgespräche« für den Fall der Fälle gegeben, geschweige denn Absprachen über gemeinsame Forderungen, wie sie die JU auftischt.

Im Gegenteil: Die mutmaßlichen Beteiligten der JU-Gespensterkoalition geben sich äußerst zurückhaltend. LINKEN-Spitzenkandidatin Anja Stoeck betont zwar, die Partei sei offen für Gespräche, aber das Wort »Koalition« nimmt sie ungern in den Mund. Seitens der Grünen weicht man gern aus, unterstreicht, eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition werde gewünscht. Das möchte auch Ministerpräsident Weil. »Ich will nicht Rot-Rot-Grün«, sagte er jetzt in einem »NDR«-Interview, und er gehe davon aus, dass die Linkspartei nicht in den Landtag komme. Also halte er die Diskussion über ein solches Bündnis »für eine reine Phantomdebatte«. Eine Aussage, die womöglich Bernd Althusmann und die Junge Union zumindest bis zum Wahlabend albtraumfrei schlafen lässt.

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