Daten-Affäre führt zu Rücktritten

Schwedischer Regierungschef bildet Kabinett um / Skandal wurde lange vertuscht

  • Andreas Knudsen
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Skandal um ein Datenleck in Schweden zieht weite Kreise: Ministerpräsident Stefan Löfven gab am Donnerstag eine Kabinettsumbildung bekannt. Innenminister Anders Ygeman habe seinen Rücktritt eingereicht, und auch die Ministerin für Infrastruktur, Anna Johansson, werde ihren Posten räumen. Im Amt blieb vorerst Verteidigungsminister Peter Hultqvist, dessen Rücktritt ebenfalls gefordert wird. Damit scheint der Sozialdemokrat die größte politische Krise seiner rot-grünen Minderheitsregierung abgewehrt zu haben.

Ausgelöst worden war sie, als vor kurzem bekannt wurde, dass unter anderem vertrauliche Daten der schwedischen Streitkräfte sowie von schwedischen Führerscheininhabern ins Ausland abflossen. Löfven hatte von einem »Unfall« gesprochen und eine Untersuchung angekündigt.

Nach Informationen schwedischer Medien wusste Innenminister Ygeman seit längerem von dem Problem und hatte den Regierungschef aber nicht rechtzeitig informiert. Das Leck entstand, nachdem die schwedische Verkehrsbehörde im Jahr 2015 dem Computerkonzern IBM die IT-Verwaltung übertragen hatte.

Das wiederum erfolgte, weil ein Bericht der schwedischen Reichsrevision steigende Ausgaben für Wartung und Betrieb der IT-Systeme der staatlichen Organe in den nächsten Jahren prognostiziert hatte. Und zwar um jährlich zwei bis drei Milliarden Euro. Um Kosten zu sparen, schlug die Behörde daraufhin vor, Aufgaben outzusourcen und teilweise zu privatisieren. Die Transportverwaltung als ausführendes Organ des Infrastrukturministeriums schloss deshalb den Vertrag mit IBM Schweden. Und von da an ging alles schief, was schief gehen konnte. Der bisherige Direktor der Verwaltung erreichte das Pensionsalter und übergab seinen Posten an Maria Aagren, der es an Kenntnissen ihres neuen Verantwortungsbereiches fehlte.

Zudem unterließ es ihr Vorgänger darauf hinzuweisen, dass viele der Daten sicherheitsrelevant sind. Darauf hatte der schwedische Geheimdienst SÄPO hingewiesen und gebeten, die Informationen nur einem engen Personenkreis zugänglich zu machen. Überdies stand Aagren vom ersten Tag an unter Zeitdruck. Riesige Datenmengen mussten überführt werden, aber IBM verfügte nicht über genügend Mitarbeiter, die die notwendige Sicherheitsstufe hatten. Trotzdem wurden mit Aagrens Zustimmung IBM-Mitarbeiter aus Rumänien, Litauen und Serbien eingesetzt, die keine Bestätigung dafür vom Geheimdienst hatten. SÄPO versuchte mehrfach einzugreifen, konnte sich aber erst nach einem Jahr, im März 2016, durchsetzen.

Maria Aagren wurde entlassen, der Verletzung elementarer Sicherheitsbestimmungen angeklagt und zu einer Geldstrafe von rund 8000 Euro verurteilt. Das weckte die Aufmerksamkeit einiger Journalisten und führte schließlich zur Aufdeckung des Skandals. Bis dahin war es der Transportbehörde, dem Infrastruktur-, Verteidigungs- und dem Innenministerium gelungen, die Angelegenheit zu vertuschen. Nach bisherigen Erklärungen der Minister wurden sie erst im Frühjahr 2016 über den Vorgang informiert, Ministerpräsident Löfven noch viel später.

Vor diesem Hintergrund blieb Löfven nichts anderes übrig, als jetzt die beiden Minister zu entlassen. Zumal die bürgerliche Oppositionsparteien des rot-grünen Kabinetts mit einem Misstrauensantrag gedroht hatten. Allein das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, der noch an Bedeutung gewinnt, weil auch die rechten Schwedendemokraten miteinbezogen waren. Die Stimmen der einwanderungsfeindlichen Partei wären notwendig gewesen, um eine Mehrheit im Parlament für die Rücktrittsforderungen zu erreichen. Die bürgerlichen Parteien haben damit klargemacht, wie weit sie bei den nächsten Parlamentswahlen im nächsten Jahr bereit sind zu gehen, um wieder an die Macht zu kommen.

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