Zum Facharzt in nur vier Wochen
Seit Montag arbeiten die Terminservicestellen
Die 17 regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sollen mit neuen Terminservicestellen dafür sorgen, dass gesetzlich Versicherte schneller zum Facharzt kommen. Voraussetzung für die Patienten: Sie benötigen eine Überweisung mit einer Codenummer für die Facharztbehandlung - dies ist nur bei Augenarzt und Gynäkologin nicht nötig. Dann ein Anruf bei der jeweiligen Servicestelle, die innerhalb einer Woche den Termin beim gewünschten Experten macht. Zwischen Anfrage und Termin sollen maximal vier Wochen liegen.
Wer eine bestimmte Facharztpraxis aufsuchen möchte, sollte sich selbst an diese wenden. Wenn sich dort kein Termin findet, können Patienten die Servicestelle einschalten, die in einem bestimmten Umkreis nach einem Facharzt sucht: So darf der Weg des Patienten bis zu einer halben Stunde länger sein als der zum nächsten Facharzt. Für besonders gefragte Richtungen wie die Radiologie darf der Weg sogar eine Stunde länger sein.
Telefonnummer und Sprechzeiten erfahren die Versicherten bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung. Noch soll die Erreichbarkeit der Servicestellen zwischen 10 und 50 Stunden in der Woche schwanken. Sollte innerhalb von vier Wochen kein Termin bei einem niedergelassenen Facharzt zu finden sein, wird eine ambulante Behandlung im Krankenhaus vermittelt. Die Fachärzte selbst sind aufgefordert, ihre freien Termine bei den Servicestellen zu melden.
Bei der Absage von Terminen wird es auch für den Patienten aufwendig: Dann muss er die Praxis und die Servicestelle anrufen. Nur wenn schon am Tag der Terminvermittlung abgesagt wird, bietet die Servicestelle einen zweiten Termin an. Ausgeschlossen vom Service sind sogenannte Bagatellerkrankungen und Routineuntersuchungen, ebenso wenig gibt es die Dienstleistung für Zahnärzte, Kieferorthopäden und Psychotherapeuten.
Zu den Kritikern des neuen Angebotes gehört die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Ihr zufolge sind die langen Wartezeiten ein von Patienten verursachtes Problem, denn diese suchten für eine Beschwerde mehr als einen Facharzt gleichzeitig auf. Aus der KV Hessen heißt es, 2015 seien mehrere Zehntausend Termine bei Augenärzten, Gynäkologen oder Orthopäden nicht wahrgenommen, aber auch nicht abgesagt worden. Der Staat solle hier mit Sanktionen eingreifen. Die KVen wehrten sich nicht nur wegen der zusätzlichen Bürokratie gegen die neuen Servicestellen - sie müssen auch deren Kosten tragen. Zudem sei das grundsätzliche Problem des Fachärztemangels in bestimmten ländlichen Regionen damit nicht zu lösen.
Ebenfalls kritisch sieht die Gesundheitsexpertin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, die neuen Einrichtungen: Hilfesuchende würden an ein Call-Center verwiesen und verlören faktisch ihr Recht auf freie Arztwahl. Zudem würden etliche KVen bei Öffnungszeiten und zumutbaren Entfernungen zum nächsten Facharzt tricksen.
Genau beobachten wollen die Krankenkassen den Start der Terminservicestellen. Sie sehen ihre Versicherten prinzipiell im Nachteil gegenüber privat Versicherten, für deren Versorgung Ärzte in der Regel mehr abrechnen können. Teilweise haben gesetzliche Krankenkassen eigene Angebote für die Terminvergabe. Zudem gibt es in manchen Regionen Versorgungsverträge, nach denen Hausärzte in dringenden Fällen selbst an die nötigen Fachkollegen vermitteln können.
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