Gefährliche Grenzgänge
Katja Herzberg zur Debatte um Obergrenzen für Flüchtlinge
Viel Zeit fürs Schulterklopfen blieb der rot-schwarzen Regierung in Österreich nicht. Schon am Tag nach ihrer Ankündigung, eine Flüchtlingsobergrenze einführen zu wollen, verpuffte die Signalwirkung der Entscheidung. Denn es ist bereits klar: Eine Kappung der Aufnahme von Asylsuchenden verstößt mindestens gegen Völker- und EU-Recht. Die in Auftrag gegebenen Gutachten werden das bald belegen. Zudem ist völlig offen, wie ein solches Limit überhaupt durchzusetzen wäre. So sprach Wien am Donnerstag nur noch von einem »Richtwert«.
Besorgniserregend sind die Äußerungen aus Wien dennoch. Alle Versuche, Flüchtlinge abzuwehren - ob an See- oder grünen Grenzen - bringen immer Leben in Gefahr. Und zwar die der ohnehin schon Schwachen. Wird der Fingerzeig aus Wien trotz aller Unausgegorenheit anderswo ernst genommen, verschärft sich einzig der bereits bekannte Trend: Noch mehr Länder ziehen sich auf nationale Regelungen zurück, statt endlich längst gefasste Beschlüsse umzusetzen. Und die Lösung dort zu suchen, wo sie zu finden ist: auf EU-Ebene, im Club der Staats- und Regierungschefs.
Vielleicht sollten die 28 Damen und Herren einmal eine Bootsfahrt auf dem Mittelmeer unternehmen und solange auf dem Wasser bleiben müssen, bis sie sich auf einen nachhaltigen Kompromiss einigen. Dann würden sie wohl weniger Zeit verschwenden - Zeit, die andere im Kriegsgebiet in Syrien, auf Schlauchbooten, irgendwo auf der Balkanroute oder im Kühlraum eines Lkw eben nicht haben.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.