Koalition will Kranke leichter abschieben

Spitzen der Union streiten weiter über Asylpolitik

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Angela Merkel wählte vor dem Treffen mit der CSU-Landtagsfraktion in Kreuth vorsichtige Worte. Es sei wichtig, miteinander zu diskutieren, auch wenn man sich nicht in allem einig sei, so die Bundeskanzlerin. Als gemeinsames Interesse mit der CSU nannte sie die »Begrenzung der Flüchtlingszahlen«. Das ist richtig, aber über den Weg zu diesem Ziel streiten Politiker der Schwesterparteien zurzeit heftig. Die bayerischen Konservativen fühlen sich durch die Entscheidung ihrer österreichischen Nachbarn, eine Obergrenze bei der Aufnahme von Schutzsuchenden festzulegen, bestärkt, diese Obergrenze auch für die Bundesrepublik weiter vehement zu verlangen. In der nicht öffentlichen Diskussion mit den CSU-Parlamentariern musste sich Merkel heftige Kritik anhören. Letztlich blieb sie bei ihrer Ablehnung der wohl rechtswidrigen Obergrenze.

CSU-Chef Horst Seehofer drohte deswegen mit »Konsequenzen«. Die bayerische Staatsregierung, der Seehofer als Ministerpräsident vorsteht, hält sich eine Verfassungsklage gegen die Bundesregierung offen. Seehofer und seine Unterstützer behaupten, dass der Bund mit der Grenzöffnung für Asylbewerber gegen geltendes Recht verstoßen habe. Damit dürfte das Drohpotenzial der CSU allerdings erschöpft sein. An einem Bruch der Großen Koalition hat sie derzeit kein Interesse.

Ob Merkel weiter zu ihrer Position stehen wird, dürfte auch davon abhängen, ob der CDU bei den Landtagswahlen im März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt mit der AfD eine ernsthafte rechte Konkurrenz erwachsen sollte. Hinzu kommt die Frage, ob der Zuzug von Flüchtlingen auf hohem Niveau anhalten wird. Dagegen richten sich von Merkel unterstützte Gesetzesvorhaben. So sollen künftig auch kranke Schutzbedürftige vermehrt abgeschoben werden. Die »Rheinische Post« berichtete von einem aktualisierten Gesetzentwurf des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU), wonach gesundheitliche Gründe künftig nur noch im Ausnahmefall als Hindernis für eine Abschiebung abgelehnter Asylbewerber akzeptiert werden sollen. Demnach sollen die betroffenen Flüchtlinge nur noch dann bleiben dürfen, wenn sich durch die Abschiebung ihre »lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung« verschlechtern würde. Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck wies darauf hin, dass »Anwälte und Beratungsstellen den Ausländerbehörden schon jetzt vorwerfen, Gefälligkeitsgutachten von willigen Ärzten einzuholen, um die Abschiebung von kranken Menschen zu legitimieren«. Die Spitzen der Großen Koalition hatten sich im November auf eine entsprechende Neuregelung geeinigt. Der Widerstand gegen die Abschiebung kranker Flüchtlinge dürfte sich also in der SPD in Grenzen halten.

Im Streit um Obergrenzen sind die Sozialdemokraten mehrheitlich auf der Seite Merkels. Doch in der SPD könnte sich bald die Stimmung ändern. Im Kurznachrichtendienst Twitter bezeichnete Fraktionschef Thomas Oppermann die Entscheidung des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann (SPÖ), eine Obergrenze einzuführen, als »Hilferuf von Österreich« Dies mache klar: »Deutschland, Schweden und Österreich können Flüchtlinge nicht allein aufnehmen.«

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