Merkel in der Höhle der Löwen
Schwesterparteien streiten weiter über Flüchtlinge
Berlin. In den flüchtlingspolitischen Auseinandersetzungen mit der Schwesterpartei CDU und ihrer Vorsitzenden Angela Merkel versucht Horst Seehofer, mit markigen Sprüchen und herablassenden Gesten Stärke zu demonstrieren. Doch das Bild des kämpferischen CSU-Chefs hat nun Kratzer bekommen. Am Dienstag erlitt Seehofer am Ende seiner Rede auf der Klausur der Landtagsfraktion in Kreuth einen Schwächeanfall. Der bayerische Ministerpräsident redete im Sitzen weiter. Nach Angaben von Parteifreunden soll es ihm gut gehen.
Am Mittwochabend wurde Merkel in Kreuth erwartet. In der Diskussion mit den CSU-Abgeordneten sollte es erneut um die Forderung der Bayern gehen, eine Obergrenze von 200 000 Asylbewerbern, die pro Jahr nach Deutschland kommen dürfen, festzulegen. Diese Regelung wäre wohl rechtswidrig und wird von der Kanzlerin bislang abgelehnt. Seehofer ging nicht davon aus, dass Merkel im Rahmen der Klausur eine Kehrtwende vollziehen werde, forderte dies aber in den nächsten Wochen ein. Inzwischen hat sich in Person von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sogar ein Kabinettsmitglied gegen Merkel gestellt und »Grenzschließungen« gefordert. Disziplinierungsmaßnahmen gegen den Minister hält die Kanzlerin laut Regierungssprecher Steffen Seibert trotz dieser Äußerung nicht für notwendig.
Die Verschärfungen des Asylrechts, zu der die Ausweitung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten und Leistungskürzungen für »ausreisepflichtige« Flüchtlinge zählten, haben die internen Kritiker Merkels nicht zufriedenstellen können. Die Kanzlerin will weiter eine europäische Lösung und Schutzsuchende durch eine engere Kooperation mit Transitstaaten wie der autoritär regierten Türkei von Europa fernhalten.
Justizminister Heiko Maas sprang der Kanzlerin bei. Er kritisierte in der »Rhein-Neckar-Zeitung« die »ständigen Drohungen der CSU«. »Menschen in großer Not wollen wir helfen. Die Geschwindigkeit des Zuzugs müssen wir auf ein vernünftiges Maß reduzieren«, sagte der SPD-Politiker. Dagegen hatte sein Parteikollege, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, vor kurzem eine Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik verlangt. avr
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.