Gern noch ein Endspiel, aber dann ohne Baby im Bauch

Fußballerin Lira Alushi über ihre neue Mutterrolle und die Abhängigkeit von ihrem Ehemann Enis, der beim FC St. Pauli in der 2. Bundesliga spielt

  • Lesedauer: 4 Min.

Die erste Frage an jede junge Mutter: Wie sind die Nächte?

Mehr als vier Stunden Schlaf habe ich derzeit nicht. Unser Baby hat in der Nacht noch Bauchschmerzen. Ich stille auch noch, stehe also nachts auf. Der Papa sollte als Leistungssportler morgens ja ausgeschlafen sein (lacht).

Sie sind sonst immer unter Menschen gegangen. Wie empfinden Sie nun die Fremdbestimmung?

Auf einmal habe ich ein Baby, das 24 Stunden am Tag meine Aufmerksamkeit benötigt. Natürlich vermisse ich den Fußball, aber das schöne Gefühl überwiegt. Die negativen Gedanken prallen einfach ab. Ich habe mir immer eine Familie mit einem Baby gewünscht. Fußball spielen war definitiv viel leichter als Mutter zu sein. Ich habe jetzt eine Riesenverantwortung, die ich aber aus Liebe übernehme, und das ist stärker als alles andere. Natürlich vermisse ich die Spiele, die Reisen und das Drumherum, aber der Kleine ist wertvoller.

Mit Christie Rampone ist eine zweifache Mutter mit 40 Jahren in diesem Jahr noch Weltmeisterin geworden: Ist so etwas Vorbild für Sie?

Aus den USA und Norwegen kenne ich viele Spielerinnen, die als Mütter wieder zurückgekehrt sind. Davor habe ich einen Riesenrespekt. Nur wenn ein Mann voll dahinter steht, ist das ja unter einen Hut zu bekommen.

Warum ist Deutschland noch nicht so weit? Bis auf Teammanagerin Doris Fitschen, die aus einer früheren Beziehung ein Kind hat, scheint das bei Nationalspielerinnen fast ein Tabuthema zu sein.

Ich kenne außer Martina Voss-Tecklenburg (ehemalige deutsche Nationalspielerin, heutige Nationaltrainerin der Schweiz, Anm. d. Red.) auch keine andere Spielerin hierzulande, die Mutter geworden ist. Vielleicht sind viele dazu noch nicht bereit und wollen erst die Karriere zu Ende bringen, sie sind ja alle noch jung. Ich habe mich mitten in meiner Laufbahn für eine Pause entschieden, um vielleicht danach wieder einzusteigen.

Sie stehen offiziell noch bei Paris Saint-Germain unter Vertrag. Erhalten Sie weiterhin ihr Gehalt?

Der Verein bezahlt mich weiter. Das ist eine Goodwill-Aktion. In den Vertragsgesprächen wird so ein Szenario nie angesprochen und meines Wissens ist so etwas im Vertragswerk auch gar nicht verankert. Nach mir könnte das vielleicht anders werden. Mit den PSG-Verantwortlichen stehe ich in Kontakt, sie können sich sogar vorstellen, dass ich im Frühjahr noch die Champions League mitspiele. Mit Anja Mittag noch einmal zusammenzuspielen, ist auch mein Ziel.

Ihr letztes Spiel war im vergangenen Mai das verlorene Finale der Champions League gegen Frankfurt. Würden Sie solch eine Partie noch mal bestreiten mit dem Wissen, schwanger zu sein?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe sehr spät erfahren, dass ich schwanger bin, und dann stand auch schon dieses Finale vor der Tür, auf das ich so lange hingearbeitet hatte. Ich hatte bis dahin auch alle Übungen mitgemacht, von der Grätsche bis zum Flugkopfball. Ich habe mehrere Ärzte konsultiert, die mir bescheinigt haben, dass mein Körper noch auf Leistungssport programmiert ist: Sie sagten, ich solle dieses eine Spiel noch machen und nur aufpassen, dass mir keine mit gestrecktem Bein in den Bauch tritt. Im Rückblick muss ich aber sagen, dass ich nicht frei spielen konnte. Ich würde gerne noch ein solches Endspiel bestreiten - aber diesmal nicht mit einem Baby im Bauch.

Wann spielen Sie wieder Fußball?

Natürlich habe ich an Muskelmasse verloren und muss auch wieder Kondition aufbauen, aber Fußball verlernt man nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass ich im Februar für einige Tage nach Frankreich fliege, um dort auch wieder mitzutrainieren.

Wer soll dann aufs Kind aufpassen?

Das Baby kommt mit und meine Mutter auch. Das ist schon besprochen.

Sollte Ihr Ehemann Enis im Sommer den FC St. Pauli verlassen, würden Sie dann auch aus Hamburg wegziehen?

Ich würde mich nach ihm richten. Mit Baby möchten wir keine Fernbeziehung mehr führen.

Haben Sie auch vor, ihre Nationalmannschaftskarriere fortzusetzen?

Das hängt von einigen Faktoren ab: Ich werde mich nach Enis richten müssen. Und in Hamburg gibt es ja leider keine höherklassige Frauenmannschaft mehr. Sollte er wechseln und ein Frauen-Bundesligist in der Nähe sein, kann ich mir vorstellen, dort anzufangen. Dann könnte ich auch meine Karriere in der Nationalmannschaft fortsetzen.

Wie haben Sie die eher missglückte WM in Kanada verfolgt?

Ich habe mir alle Spiele unserer Mannschaft im Fernsehen angeschaut. Bisweilen war ich traurig. Und natürlich habe ich manchmal gedacht: Vielleicht hätte ich der Mannschaft helfen können. Aber dann kam gleich wieder der Gedanke, dass ich doch einen superschönen Grund gehabt habe, warum ich nicht dabei war.

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