Taliban-Anschlag auf Nato-Konvoi in Kabul

Ein Zivilist getötet und 33 weitere verletzt / »Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland«: Kritik an Abschieplänen der Bundesregierung

  • Lesedauer: 3 Min.

Kabul. Bei einem Selbstmordanschlag der Taliban auf einen Nato-Konvoi in Afghanistan sind am Montag ein Zivilist getötet und 33 weitere verletzt worden. Unter den Verletzten der Attacke nahe des Flughafens der Hauptstadt Kabul seien viele Kinder, sagte ein Sprecher des afghanischen Gesundheitsministeriums der Nachrichtenagentur AFP.

Der Anschlag erfolgte nur einen Tag, nachdem Pakistan und Afghanistan einen neuen Anlauf zu Friedensgesprächen mit den radikalislamischen Taliban gestartet hatten.

Das Ziel des Anschlags sei »offenbar ein Nato-Konvoi« gewesen, teilte das Innenministerium in Kabul mit. Der Selbstmordattentäter brachte bei dem Anschlag ein mit Sprengstoff beladenes Auto zur Explosion. Die Nato erklärte in einer kurzen Mitteilung, sie habe keine Opfer zu beklagen. Dem afghanischen Gesundheitsministerium zufolge waren unter den Verletzten 18 Kinder und vier Frauen.

Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid sagte, das Selbstmordattentat habe sich gegen einen Konvoi »ausländischer Soldaten« gerichtet. »Mehrere Kräfte der Invasoren« seien getötet oder verletzt worden. Die Taliban sind dafür bekannt, Opferzahlen zu übertreiben.

Die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert sich seit Monaten zusehends. Nur wenige Tage vor Weihnachten waren bei einem Selbstmordattentat bei Kabul sechs US-Soldaten getötet worden - auch dazu hatten sich die Taliban bekannt. Mitte Dezember hatten Taliban-Kämpfer den Flughafen der südlichen Provinzhauptstadt Kandahar gestürmt und sich stundenlange Gefechte mit den Sicherheitskräften geliefert. Wegen des Wiedererstarkens der Taliban beschloss die Nato erst kürzlich eine Verlängerung ihres Einsatzes. Die Bundeswehr wird dafür ihre Truppenzahl am Hindukusch sogar erhöhen.

»Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland«: Kritik an Abschieplänen der Bundesregierug

Der frühere afghanische Aufbauminister Amin Farhang kritisiert die von der Bundesregierung geplanten Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan. »Ich bin völlig dagegen, dass man Afghanen zurückschickt«, sagte er der in Halle erscheinenden »Mitteldeutschen Zeitung« (Dienstagsausgabe). »Das ist eine verkehrte Politik«, erklärte Farhang: »Denn es bedeutet, dass man in Afghanistan die Zahl der Binnenflüchtlinge erhöht.«

Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg, äußerte sich ebenfalls kritisch. »Der Plan des Innenministers, Afghanen wieder verstärkt abzuschieben, ist unverantwortlich und steht im krassen Gegensatz zur Sicherheitslage in Afghanistan, die sich täglich verschlechtert und immer mehr zivile Opfer fordert«, sagte sie der Zeitung. Erst Mitte Dezember habe die Bundesregierung wegen der Sicherheitslage den Auslandseinsatz der Bundeswehr am Hindukusch verlängert.

»Die Bundesregierung darf sich die Situation in Afghanistan nicht länger schönreden und muss der Realität ins Auge blicken«, unterstrich Amtsberg. »Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland.«

Kritik an den Abschiebeplänen kommt auch vom Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), hat die Pläne für eine Abschiebung von Afghanen in ihre Heimat kritisiert. »Das Gerede von «innerstaatlichen Fluchtalternativen» in Afghanistan ist eine absurde Idee«, sagte Strässer der Zeitung »Die Welt« (Dienstag).

Anfang Dezember hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern darauf verständigt, Flüchtlinge aus Afghanistan angesichts des großen Andrangs abzuschieben - allerdings in sichere Regionen. Man sei sich einig, dass die Rückführung in sichere Gebiete Afghanistans grundsätzlich möglich und erlaubt sei, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) damals. Afghanistan zählt im laufenden Jahr zu den Hauptherkunftsländern, nur aus Syrien kamen noch mehr Flüchtlinge nach Deutschland.

Der Menschenrechtsbeauftragte Strässer stellt infrage, dass es in Afghanistan sichere Gebiete gibt, zumal Deutschland gerade erst beschlossen habe, seine militärische Präsenz im Land zu erhöhen. »Geradezu aberwitzig ist die Vorstellung, Menschen in «Schutzzonen» zu pferchen und militärisch zu bewachen«, sagte Strässer. Agenturen/nd

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