Heyenn zieht die Reißleine

Ehemalige Fraktionschefin der Hamburger LINKEN verlässt die Partei

  • Reinhard Schwarz
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Dora Heyenns Parteiaustritt endet ein langer, schon seit Jahren schwelender Streit um die ehemalige Spitzenkandidatin und Fraktionschefin der Hamburger LINKEN.

Dora Heyenn, die ehemalige Vorsitzende der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, ist nun auch aus der Partei ausgetreten. »Mein Vertrauen in die Leitungsgremien der Landespartei und in die in ihr agierenden Personen ist zerstört«, erklärte Heyenn am Freitag in Hamburg. Die 66-Jährige hatte im Frühjahr dieses Jahres die Linksfraktion verlassen, nachdem sie nicht in die neue Doppelspitze der Fraktion gewählt worden war.

Kurz nach Heyenns Austrittserklärung kommentierten die Landessprecher der LINKEN, Sabine Wils und Rainer Benecke, Heyenns Schritt: »Selbstverständlich respektieren wir ihre bedauerliche Entscheidung. Leider gab es trotz unserer Angebote keine Bereitschaft, eine Klärung in einem moderierten Gespräch anzugehen.« Und: »Die Differenzen waren für Frau Heyenn offenkundig so unüberbrückbar, dass dieser Schritt für sie wohl unvermeidlich war.« Auch die beiden Chefinnen der Linksfraktion, Sabine Boeddinghaus und Cansu Özdemir, äußerten ihr Bedauern: »Unsere Tür war immer offen, wir haben mehrmals das Gespräch mit Dora Heyenn gesucht. Doch offenbar waren die politischen Differenzen zu groß.«

Die Hamburger LINKE konnte mit Heyenn als Spitzenkandidatin ihren Anteil bei den Bürgerschaftswahlen im Februar dieses Jahres von 6,4 auf 8,5 Prozent steigern. Das wurde als großer Erfolg für die Partei, die mit überlebensgroßen Plakaten von Heyenn geworben hatte, gewertet. Doch schon bei der Wahl zur Fraktionsspitze offenbarten sich tiefe Zerwürfnisse. Denn plötzlich wollten die gewählten Genossen eine Doppelspitze - ein Affront gegen die Lehrerin und Bildungsexpertin, die 1999 die SPD verlassen hatte und später der LINKEN beigetreten war.

Offiziell hatte es zunächst geheißen, man wolle die Fraktionsführung verjüngen. Als dann bei der Wahl zur Doppelspitze Heyenn komplett außen vor blieb, zog sie die Reißleine und trat aus der Fraktion aus. Seitdem sitzt sie als fraktionslose Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft. Gespräche zur Rückkehr von Heyenn scheiterten offenbar immer wieder, obwohl die verbliebenen Genossen ihre Redebeiträge stets mit besonders großem Beifall bedachten. Aus schlechtem Gewissen?

Nach ihrem Austritt aus der Fraktion gab es zahlreiche Solidaritätsbekundungen für Heyenn aus der Partei - einige traten sogar aus. Doch was oberflächlich aussah, als ob hier eine selbstbewusste Führungsfrau plötzlich rausgemobbt wurde, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein Dauerstreit. So kritisierten viele Heyenns angeblich autoritären Führungsstil. »Unter denen, die mit ihr Jahre zusammengearbeitet haben, galt sie schon vor langer Zeit als autoritär- und beratungsresistent«, schrieb Gilbert Siegler vom Landesvorstand der Hamburger LINKEN in einem Positionspapier. Weiterhin waren viele Aktive zumindest verwundert über die Anbindung der sonst so bodenständigen Heyenn an die Linke Liste, eine Gruppierung an der Hamburger Universität, die parteiintern seit Jahren für genervtes Aufstöhnen sorgt, wenn einer ihrer Exponenten ans Rednerpult tritt.

Doch warum kam es nicht schon früher zum großen Krach? Mutmaßlich, weil sich niemand traute. So wurde der Konflikt Jahr für Jahr ausgesessen, schreibt Siegler: »Die Fraktion wählte ihre Vorsitzende (Heyenn, d. Red.) mehrmals wieder (mit Enthaltungen, aber ohne Gegenstimmen), weil die Befürchtung bestand, eine Abwahl könnte in schwierigen Situationen (…) politischen Schaden anrichten.« Was denn ja auch so geschah.

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