Technik gegen Geisterfahrer
Induktionsschleifen sollen vor falsch fahrenden Autos warnen - in Thüringen läuft ein Test
Erfurt. Bei Unfällen mit Geisterfahrern hat es seit 2013 in Thüringen einen Toten und vier Schwerverletzte gegeben. Weitere neun Menschen erlitten leichte Verletzungen, nachdem ihr Auto mit einem Fahrzeug zusammenstieß, das entgegen der Fahrtrichtung unterwegs war. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im Erfurter Landtag hervor. Allein in diesem Jahr gab es danach bis Ende September 25 Polizeieinsätze wegen Falschfahrern. 2013 waren es insgesamt 58 Einsätze und 2014 im Jahresverlauf 60. Thüringen reagiert darauf nicht nur mit der verbesserten Markierung von Autobahnauffahrten.
An den Portalen der teilweise kilometerlangen Autobahntunnel werde derzeit Technik getestet, um schneller auf Geisterfahrer reagieren zu können, teilte Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) mit. Falschfahrer würden über Induktionsschleifen erfasst. Das System, das derzeit beispielsweise am Rennsteigtunnel erprobt werde, solle die Reaktionszeiten für Tunnelsperrungen und notfalls eine Neuregelung der Fahrbahnen in den Röhren verkürzen. Der Rennsteigtunnel ist mit fast acht Kilometern Deutschlands längster Straßentunnel.
Nach wie vor seien Falschfahrer gemessen am Verkehrsaufkommen ein seltenes Phänomen - allerdings mit einem hohen Gefahrenpotenzial, erklärte Poppenhäger. Aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel: Mitte September waren innerhalb von zwölf Stunden gleich zwei Geisterfahrer auf Thüringer Autobahnen unterwegs - ohne dass ein Unfall geschah.
Ein Sattelzug war von der A71 bei Oberhof abgebogen und sofort wieder in falscher Richtung aufgefahren. Der Rennsteigtunnel wurde in diesem Fall gesperrt. Der Lastwagen stoppte schließlich an einer Schranke. Die Polizei brachte ihn wieder auf die richtige Fahrspur. Zuvor war auf der A73 bei Suhl ein 79 Jahre alter Autofahrer ebenfalls in falscher Richtung unterwegs. Andere Autofahrer stoppten ihn. Der Senior musste schließlich seinen Führerschein abgeben.
Wird ein Geisterfahrer beobachtet, werden nach Angaben des Innenministeriums umgehend Verkehrswarnmeldungen herausgegeben und Polizeibeamte eingesetzt. Es gebe jedoch keine Autobahnabschnitte, wo besonders häufig Falschfahrer unterwegs seien. Gründe für Fahren gegen die Fahrtrichtung seien Orientierungsprobleme, Fahren unter Alkohol oder Drogen, Mutproben, aber auch Selbstmordabsichten.
Laut Thüringer Innenministerium haben sich Bund und Länder mit dem Phänomen Falschfahrer befasst und sich auf Checklisten für bauliche und sicherheitstechnische Standards für Autobahnanschlussstellen und Autobahn-Parkanlagen verständigt. Von 2014 bis 2016 würden in Thüringen die Markierungen auf den Rampen der Anschlussstellen verändert - nun mit doppelten Sperrlinien und Richtungspfeilen.
Nach Angaben des Landesamtes für Bau und Verkehr sind ein Großteil der 68 Autobahn-Anschlussstellen inzwischen zusätzlich markiert und beschildert. Die Kosten wurden auf insgesamt etwa 200 000 Euro veranschlagt.
Bei nachgeordneten Straßen sollen die Markierungsarbeiten mittelfristig erfolgen, wenn Fahrbahndecken oder Markierungen ohnehin saniert werden, erklärte das Innenministerium. Andere Vorkehrungen wie Warntafeln, Krallen oder Blinklichter zur Verhinderung von Falschfahrten würden von Fachleuten in Thüringen als »nicht gewinnbringend angesehen«. dpa/nd
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