Jugendgewalt geht weiter zurück
Laut Studie des Senats kommt es vor allem in Großsiedlungen am Stadtrand zu Konflikten
Schulhöfe können manchmal raue Pflaster sein. Auch das Aufwachsen in bestimmten Gegenden kann dazu führen, dass Jugendliche schon in frühen Jahren Gewalterfahrungen machen. Seit der Wende stieg bis 2007 in Berlin die Kinder- und Jugendgewalt an. Der Senat erarbeitete 2011 ein ressortübergreifendes Konzept, um effizienter gegen die Entwicklung vorgehen zu können.
Die Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention, die der Landeskommission Berlin gegen Gewalt unterstellt ist, beobachtete als Konsequenz zwei Jahre lang die Situation in allen zwölf Berliner Bezirken. Am Montag stellte sie die Ergebnisse ihrer Studie »Berliner Monitoring Jugendgewaltdelinquenz« in Mitte vor. »Delinquenz« ist der in der Kriminologie verwendete Begriff für Straffälligkeit. Die Untersuchung bezieht sich auf die Situation von 2013 und ist die Fortsetzung eines Berichts von 2012. Für die Studie nutzten die Forscher hauptsächlich Statistiken der Polizei und werteten sogenannte Rohheitsdelikte wie Körperverletzungen oder Raubüberfälle aus. Zusätzlich wurde auch eine nicht repräsentative Umfrage mit 770 Schülern durchgeführt, um das sogenannte Dunkelfeld, - Gewalttaten, die nicht zur Anzeige gebracht werden - zu erfassen.
Die Ergebnisse zeigen unterschiedliche Entwicklungen auf. So ist laut den Forschern die durch Kinder und Jugendliche verursachte Gewalt generell rückläufig. 2013 registrierte die Berliner Polizei rund 8150 Rohheitsdelikte mit Verdächtigen im Alter von 8 bis 21 Jahren. Das waren 536 Fälle weniger als im Vorjahr. In bestimmten Gebieten sei die Situation aber weiterhin problematisch. Als Schwerpunkte der Jugendgewalt wurden der Kurfürstendamm, Marzahn Nord, Hellersdorf Nord, Spandau Mitte sowie das Märkische Viertel in Reinickendorf ausgemacht. Besonders hohe Gewaltzahlen hätten sowohl Orte mit hohem Publikumsverzehr als auch Großsiedlungen am Stadtrand zu verzeichnen.
Auch die Personengruppe der Täter konnte näher beleuchtet werden. Laut Studie sind bei Raubtaten über 90 Prozent der Tatverdächtigen Männer, bei Körperverletzungen und Bedrohungen knapp 80 Prozent. Bei den 14 bis 18-Jährigen sei die Zahl der Gewaltdelikte insgesamt zurückgegangen. Albrecht Lüter, Leiter der Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention, weist zudem daraufhin, dass ein Migrationshintergrund von Kindern und Jugendlichen kaum ein relevanten Einfluss ausübt. Viel mehr sei soziale Benachteiligung ein wichtiger Faktor. »Die Ursachen sind in Männlichkeitsnormen, häuslichen Gewalterfahrungen, der Zugehörigkeit zu delinquenten Gruppen oder in einem schwachen sozialen Status zu finden«, sagte er.
Einen besonderen Fokus legte die Studie auf die Situation der Berliner Schulen. Landesweit wurde hier ein Rückgang der Straftaten um 13 Prozent festgestellt. In Marzahn-Hellersdorf sind mit 899 Delikten in 2013 die meisten Gewaltausbrüche zu verzeichnen, doppelt so viele wie in den ebenfalls stark belasteten Kiezen Neukölln und Mitte. Die Tatverdächtigen in den Schulen werden zudem tendenziell jünger. Mehr als die Hälfte ist zwischen 8 und 14 Jahren alt und damit nicht strafmündig. Die Stadt versucht mit Präventionsprojekten auf die Gewalt zu reagieren. So gibt es Veranstaltungen mit der Polizei in Schulen, aber auch Sozialarbeiter und Krisenteams, die in Schulen als Ansprechpartner für Kinder und Eltern dienen.
Lüter warnt vor Übertreibungen. In Berlin würde zwar mehr Gewalt als in anderen Städten registriert - es würden aber auch mehr Anzeigen erstattet werden. »Es gibt wenig Grund, Berlin zur Metropole der Jugendgewalt zu erklären« sagte er.
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