Treue und Energie
Vor 65 Jahren Start: Theater der Freundschaft
Kindertheater ist Kampf um Hoheiten im Saal. Wer kann lauter? Wohin mit den leisen Tönen? Zukunftsarbeit Kunst: Saatlegung. Das »Theater der Freundschaft« in Lichtenberg ist DDR-Geschichte. Es hat Geschichte geschrieben, die darüber hinausweist. Am 16. November 1950 wurde das Haus an der Parkaue offiziell eingeweiht.
Es war die Joseph-Goebbels-Schule. Die Sowjets befahlen 1948 die Kultur ans Haus: hilfreicher verordneter Antifaschismus. So entstand das »Haus der Kultur der Sowjetunion, Filiale für Kinder«, und dann das zentrale Kinder- und Jugendtheater der DDR. Eine Institution, wirksam weit über die Landesgrenzen hinaus.
Mit Ilse Rodenberg wird die Bühne ab 1959 für nahezu 15 Jahre eine legendäre Intendantin haben, prinzipalisch in ihrer unbedingten Hingabe ans Haus, prinzipiell in ihrer kommunistischen Leidenschaft, nutzbringend tätig in der internationalen Organisation der Kindertheater, der ASSITEJ. Die Mutter als Generalin, die Kommissarin aber auch als Komödiantin, die Hohepriesterin als strenger und schützender Engel. 1991 wurde das Haus zum »carrousel« und 2005 zum »Theater an der Parkaue«.
An diesem Theater spielten Hilmar Thate und Ulrich Thein, hier inszenierten Wolfgang Engel, Konrad Zschiedrich und Peter Ensikat (auch Autor und Spieler). Überhaupt, die Darsteller! In den siebziger, achtziger Jahren: der jungenhaft heldische Joachim Siebenschuh, der artistische Kobold Rüdiger Sander, die zart-stolze Barbara Schnitzler. Dann der dominant sprachkräftige Rainer Büttner. Das sonore, die Jahre sammelnde Bardentum eines Heinz Schröder. Der listig wendige Hellmut Geffke. Das so differenzierte Mädchen-Wesen der Juliane Koren, die Anne Frank war. Und natürlich, über viele Jahre, die Zentral-Strahlung der Schauspielerin Petra Kelling - das Kinder- und Jugendtheater nicht vorrangig als Durchzugsgebiet unruhiger Selbstsucher, sondern als Ort einer Lebens- und Kunst-Geschichte von früher Bindung, von durchgehaltener Treue und Energie. Hier arbeitete die hart fordernde Konzept-Strategin Christel Hoffmann, und die Stücke von Eugen Eschner wagten sich klug, und mitunter auch kompliziert, an die Schwellengegend zwischen Noch-Jugend- und Schon-Erwachsenentheater.
Es sind die Regisseure Horst Hawemann und Mirjana Erceg, die in späten DDR-Jahren wesentlich für eine wirkende, aufregende Spannung sorgen zwischen Realismus und Fantastik. Hier führte das Märchen ein könig- wie prinzessinnenreiches Leben, doch das Herz der Kunst schlug am stärksten für listige, lustige und Lunte legende plebejische Helden, wie zum Beispiel Amados »Herren des Strandes«. Lothar Trolles Dramatik kam zur Premiere, Boris Wassiljews »Im Morgengrauen ist es noch still« oder jene Majakowski-Collage von Dieter Wardetzki (mit Reiner Heise), die sich ins Grenzfeld scharfer Stalinismuskritik wagte.
Wie das Theater überhaupt - angestoßen durch eine aufstörende, realitätsbrennende pädagogische Abteilung unter Leitung von Kristin Wardetzki - mehr und mehr auch den ideologischen Kurs der Staatspädagogik in Frage zu stellen und damit aufzugreifen versuchte, was Kinder und Jugendliche wirklich denken und fühlen, systemübergreifend, weltzugewandt.
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