Sprachlos über Grenzen
Das 25. Festival des Osteuropäischen Films in Cottbus stand im Zeichen internationaler Koproduktionen
Filmfestivals brauchen die Internationalität, so wie Filmemacher die Festivals brauchen, um ihr Publikum zu erreichen. Internationale Koproduktionen sind heute der Normalfall und ein Zeichen der verbindenden Funktion der siebten Kunst. »Connecting Cottbus«, abgekürzt »Co-Co«, heißt denn auch ein zweitägiger Branchentreff im Rahmen des Cottbuser Festivals, der in Gesprächen und Vorträgen diese Brücke zwischen Filmemachern und Geldgebern schlagen will; er ist neben dem Wettbewerb das wichtigste Standbein des am Sonntag beendeten 25. Jahrgangs dieses »Festivals des Osteuropäischen Films«.
Solche Internationalität hat freilich ihre Kehrseiten, etwa bei den Publikumsgesprächen. Perfekten Dolmetscherdienst gibt der Festivaletat, um den Festivaldirektor Bernd Buder in jedem Jahr neu bangen muss, nie her - also wählt man die Weltsprache Englisch als Tagungssprache, mit oft absurden Folgen: Nach der Vorführung von Andrea Sedláckovás »Fair Play«, einer tschechisch-deutschen Koproduktion, versuchen ein deutscher Moderator und die deutsche Koproduzentin, in dürftigem Englisch Auskünfte zum Film zu geben, bis sie dann der Not gehorchend doch wieder ins Deutsche fallen.
Immerhin betreibt Co-Co sein Geschäft mit messbarem Erfolg. Wie Buder für dieses Jahr bilanzierte, sind rund 60 Prozent der in Cottbus »gepitchten« (angeschobenen) Projekte realisiert, freilich oft unter Mithilfe anderer Einwerbungen. Die internationale Jury setzte diesem Erfolg noch eins drauf, indem sie ihre wichtigsten Preise und damit die Hälfte aller Preisgelder gleich an drei dieser »Co-Co-Filme« vergab. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt? Den Hauptpreis (25 000 Euro) gab es für eine kroatisch-slowenisch-serbische Koproduktion von Regisseur Dalibor Matanic, der in »Mittagssonne« ein dramaturgisches Experiment wagt: Drei kroatisch-serbische Liebesepisoden im Abstand von je zehn Jahren erzählen je einen aus falschem (Lokal-)Patriotismus resultierenden Konflikt, und jedes Mal sind die beiden Hauptfiguren mit den gleichen Darstellern besetzt. Für den Zuschauer bringt dies manche Irritationen mit sich, aber Goran Markovic und Tihana Lazovic füllen ihre Dreifachrollen so überzeugend, dass für letztere auch noch der Preis für die beste Darstellerin (5000 Euro) abfiel.
Die gleiche Summe erhielt der Tscheche Karel Roden für seine Rolle in »Familienfilm« des an der Prager FAMU ausgebildeten Slowenen Olmo Oderzu. Sein Spielfilm beginnt als subtile Studie in einer Oberschichtfamilie, doch nach deren heranwachsenden Kindern, die mit dem Leben im Luxus wenig anzufangen wissen, rückt ein ganz anderer Konflikt ins Zentrum des Geschehens. Und als wäre solcher Themenwechsel noch nicht Verwirrung genug, widmen Omerzu und sein Koautor Nebojsa Pop-Tasic reichlich viele der 90 Filmminuten auch noch dem dramatischen Schicksal des Familienhundes Otto. Sehenswert ist neben Rodens Darstellung des Vaters Igor vor allem Lukas Milotas raffinierte Bildgestaltung. Slowenien, an beiden Preisträgern beteiligt, trug auch noch den hoch verdienten Publikumspreis davon - für Jan Cvitkovic‘ »Šiška Deluxe«, eine geist- wie temporeiche Komödie um drei soziale Verlierer, die mit einer gemeinsamen Pizzeria endlich auf die Siegerstraße kommen wollen.
Wo ein Land derart Preise »abräumt«, bleibt manch Sehenswertes auf der Strecke. Stille, auf grelle Effekte verzichtende Filme mit überzeugender Charakterzeichnung wie »Sauerkirschen« des Kroaten Branko Schmidt oder Vasiliy Sigarevs skurril übermütige Neujahrskomödie »Das Land von Oz« aus Russland hätten durchaus Preise verdient. Für den wunderbar ruhigen kirgisischen Film »Nomaden des Himmels« von Mirlan Abdykalykov gab es immerhin Verleihförderung - er kommt demnächst auch in deutsche Kinos. Nicht schade ist es um den bereits erwähnten tschechisch-deutschen »Fair Play« von Andrea Sedlacková, eine arg angestaubt wirkende »Stasi & Doping«-Plotte im Stil von Propagandafilmen des Kalten Krieges, komplett mit unverhüllter Reklame für den US-Propagandasender Radio Free Europe.
Aber wie konnte eine aus fünf Regisseuren bestehende Jury - ein Novum wohl nicht nur in Cottbus - an der Fantasie und dem Einfallsreichtum von Károly Ujj Mészáros‘ »Liza, die Fuchsfee« vorbeisehen, einem temporeich erzählten Erwachsenen-Märchen um eine junge Krankenschwester, die für den toten Karaokestar eines japanischen Comics schwärmt, der doch ihr böser Gegenpart ist? So international kann junges, frisches Kino eben auch sein.
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