Große »Baulücken«

Und noch ist kein richtiger Bauplan aufgestellt

  • Lesedauer: 2 Min.

Als das Pestel-Institut vor drei Jahren ermittelte, dass vier Millionen Sozialwohnungen im Land fehlen, wurde vielerorts abgewinkt. Zu alarmistisch, zu schwarzmalend, zu übertrieben. Bei der jüngsten Studie der Hannoveraner Experten von Mitte September sieht das ganz anders aus. Mit den dabei ermittelten Zahlen hantieren Mieterbund wie Wohnungsunternehmen inzwischen gleichermaßen. Bis 2020 müssen demnach jährlich 400 000 Mietwohnungen und damit 140 000 Mietwohnungen mehr als in diesem Jahr gebaut werden, 80 000 Sozialwohnungen und 60 000 sogenannte bezahlbare Wohnungen. Bundesbauministerin Barbara Hendricks spricht zwar immer noch von jährlich 350000 nötigen Neubauten - aber wir wollen nicht päpstlicher sein als der Papst.

Fest steht: Mieterverbände, Wohnungswirtschaft und Politik sind sich im Wesentlichen darüber einig, dass die Herausforderungen angesichts des Wohnungsdefizits groß sind. Allein zwischen 2009 und 2015 wurden laut Pestel 770 000 Wohnungen in der Bundesrepublik zu wenig gebaut. Allerdings gibt es offenbar unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie man diese Aufgabe bewältigen kann, noch dazu unter dem zusätzlichen Druck der verstärkten Zuwanderung.

Der Deutscher Mieterbund verlangt kurzfristige Maßnahmen, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft drücken aufs Tempo bei den notwendigen gesetzlichen Änderungen, die Bauministerin bleibt indes gelassen. Zwar wurde das Baurecht für vorübergehende Flüchtlingsunterkünfte vereinfacht. Und erst in der Vorwoche ein 120-Millionen-Euro-Programm gestartet, mit dem die Forschung für nachhaltige, bezahlbare, flexible sogenannte Variowohnungen insbesondere für jüngere Menschen mit schmalem Geldbeutel angeschoben werden soll. Das freilich kann dauern.

Wie man aber der allgemeinen Wohnungsnot insbesondere in Ballungsgebieten Herr werden und dauerhaft die entstandenen »Baulücken« stopfen will, ist damit noch nicht gesagt. Der vom Verbändebündnis »Sozialer Wohnungsbau« geforderte Neustart, um Haushalte mit unteren Einkommen und sozial Bedürftige mit Wohnraum zu versorgen, hat noch nicht stattgefunden.

Kunststück: Das Pestel-Institut errechnete, dass rund 6,4 Milliarden Euro notwendig wären, um den Bau der jährlich erforderlichen 80 000 Sozialwohnungen steuerlich anzureizen. Hinzu kämen pro Jahr 3,2 Milliarden für die 60 000 neu zu bauenden bezahlbaren Wohnungen für Mieter mit mittleren Einkommen. Angesichts dieser finanziellen Dimension ist klar, warum aus dem Hause Hendricks bislang nur verlautet, man sei mit dem Finanzminister im Gespräch. oer

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