Betrügerische Klauseln
Müssen Spaniens Banken Milliarden an Kunden zahlen?
Gerade konnten spanische Banken noch aufatmen, weil die EU-Kommission Ermittlungen wegen Bilanztricks einstellte. Doch nun können sie sich neue Sorgen machen: Brüssel fordert die Rückzahlung zu viel gezahlter Zinsen an die Bankkunden und hat ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in Madrid gerüffelt, der im Mai 2013 Zins-Klauseln in Hypothekenverträgen zwar als unwirksam bezeichnete, aber nicht die Rückzahlung an die Kunden anordnete.
Auch die EU-Kommission kann nicht die Augen davor verschließen, was Verbraucherschutzorganisationen »Betrug« nennen. Es geht um die »cláusulas suelo« (Bodenklauseln), die Banken enorme Gewinne beschert hat, seit die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Politik der extrem niedrigen Zinsen begann. Die Klauseln besagen nämlich, dass zwar ein höheres Zinsniveau unbegrenzt an die Kreditnehmer weitergegeben werden kann, aber die Wirkung von sinkenden Leitzinsen unten gedeckelt ist. Das führte vor der Finanzkrise 2008, als die Zinsen hochschossen, dazu, dass viele Familien ihre Kredite nicht bedienen konnten. Oft verloren sie ihre Wohnung und blieben nach der Räumung auf hohen Restschulden sitzen. Anders als in Deutschland war es in Spanien gängige Praxis der Banken, Kreditverträge zu variablen Zinsen zu vergeben.
Das Oberste Gericht setzte den Tag des Urteils als Stichtag fest. Banken müssen lediglich die überhöhten Zinsen zurückzahlen, die sie seither eingestrichen haben. Dass dies nicht rückwirkend gilt, begründete das Gericht sehr verbraucherunfreundlich damit, dass eine komplette Rückzahlung »schwere Verwerfungen in der wirtschaftlichen Ordnung« Spaniens nach sich ziehen werde. Verbraucherverbände sprachen von einer »neuen Bankenrettung per Gericht«.
Das sieht die EU-Kommission offenbar ähnlich. In einem Schreiben Brüssels vom Juli dieses Jahres an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, das erst jetzt bekannt wurde, heißt es: »Es ist unmöglich, dass nationale Gerichte Beschränkungen an den Rückzahlungen vornehmen, die für nichtig erklärte Klauseln bezahlt wurden.« Die Verbraucherschutzorganisation Facua begrüßte die Unterstützung gegen den Versuch, dass Banken illegal einkassiertes Geld behalten dürfen sollen. Es sei auch »unerträglich«, dass die Regierung weiter »für die Interessen der Banken gegen die Verbraucherrechte eintritt«, weil auch sie fordert, die Auswirkungen auf die Banken zu beschränken.
Der EuGH wird nun höchstrichterlich entscheiden, ob die überhöhten Zinsen doch komplett zurückgezahlt werden müssen. Insgesamt, heißt es, sollen rund 2,5 Millionen Kreditnehmer im Durchschnitt etwa 15 000 Euro zu viel gezahlt haben. Insgesamt geht es um bis zu 36 Milliarden Euro. Die Summe könnte weiter steigen, denn seit 2009 wurden mehrere hunderttausend Immobilien geräumt, weil Verbraucher die überhöhten Zinsen nicht bezahlen konnten. Nun könnte es zur Streichung der Restschulden kommen, was zu weiteren Abschreibungen in den Bankbilanzen führen könnte. Und es drohen ihnen auch Schadensersatzforderungen.
Kenner gehen davon aus, dass die Luxemburger Richter erneut verbraucherfreundlich entscheiden werden. Bereits 2013 hatte der EuGH zahllose Räumungen als illegal eingestuft, weil sie auf »missbräuchlichen Klauseln« in Kreditverträgen basierten. Dies sei ein Verstoß gegen EU-Verbraucherrechte.
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