Der blinde Fleck
Simon Poelchau über die wachsende Kluft bei den Einkommen
Der Armutsbericht war 2013 eine heikle Angelegenheit für Ursula von der Leyen, als sie in der damaligen schwarz-gelben Regierungskoalition Arbeitsministerin war. Denn die jetzige Verteidigungsministerin schönte ihn, wo es nur ging. Nun haben Forscher eine zentrale These ihres Berichts widerlegt. Das Auseinanderdriften der Einkommen ist nämlich noch längst nicht gestoppt, wie eine Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung belegt.
Dabei waren die Aussagen des Berichts bereits zu seinem Erscheinen stark umstritten. Von einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich sollte damals nichts drin stehen. Es durfte nicht sein, was politisch nicht opportun war und auch jetzt noch nicht ist. Tatsächlich war jedoch schon 2013 eindeutig, dass die sozialen Unterschiede hierzulande weiter zunehmen. Studien, die Gegenteiliges behaupten, weisen indes einen blinden Fleck auf: Sie stützen sich auf Daten, die reiche Haushalte nicht oder nur sehr unzureichend erfassen. Damit werden die Kapitaleinkünfte des reichsten Prozents der Bevölkerung nicht wirklich erfasst. Und diese stiegen seit der Jahrtausendwende erheblich stärker an als die Löhne. Doch dies wollten die Bundesregierungen aller Couleur bisher nicht so genau wissen. Insofern kam ihnen der blinde Fleck ganz recht.
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