Sehnsucht nach Regen
Retrospektive zum neuen chinesischen Film im Zeughauskino
Chinesisches Kino verbindet man hierzulande meist mit großem Martial-Arts-Spektakel oder Autoren der so genannten fünften Regisseursgeneration à la Zhang Yimou und Chen Kaige oder dem Hongkonger Meisterregisseur Wong Kar Wai. Denn nur Kung-Fu- oder Arthouse-Filme made in China werden in Deutschland verliehen. Dass China ein Land im Aufschwung und Umbruch ist, wird jedoch durch kein künstlerisches Medium so sehr verkörpert wie durch sein Kino, dessen Vielfalt Zeuge der Modernisierung der chinesischen Gesellschaft ist.
Die Kuratorengruppe »The Canine Condition« hat versucht, in der Filmreihe »Sehnsucht nach dem Regen - Neues chinesisches Kino«, die ab ab diesem Freitag im Zeughauskino zu sehen sein wird, diese Vielfalt in 25 ausgewählten Filmen der letzten fünf Jahre widerzuspiegeln. Von Megaproduktionen bis hin zu Low-Budget-Filmen, vom Kostümfilm über den Dokfilm, das Melodram bis zur romantischen Großstadt-Komödie sind alle Genres vertreten.
Mit prachtvollen Dekors, jeder Menge Spezialeffekten, gekonnten Kampfeinlagen und einer gewitzten Detektivstory im China des 7. Jahrhunderts wartet die China-Hongkong-Produktion »Detective Dee and the Mystery of the Phantom Flame« von Altmeister Tsui Hark auf. Dort wird zu Ehren der zukünftigen Kaiserin Wu Zetian eine riesige Buddha-Statue errichtet. In dem - in seinem Inneren an das Setting von Fritz Langs »Metropolis« erinnernden - Riesengebäude kommt es zu mysteriösen Todesfällen: Menschen gehen urplötzlich in Flammen auf. Um die Fälle aufzuklären, bestellt man schließlich den in Ungnade gefallenen Detektiv Dee (gespielt von Hongkong-Superstar Andy Lau) ein. Der Film verschmilzt Elemente des Hongkong-Actionkinos mit dem Duktus des chinesischen Historienfilms zu einer sehr effektiven und höchst unterhaltsamen Synthese.
Das in China sehr populäre Genre der urbanen romantischen Komödie bedient wiederum »Women Who Flirt«, das im Milieu gutverdienender junger Geschäftsleute spielt. Der Film von Pan Ho-Cheung erzählt von der Shanghaier Unternehmensberaterin Angie (Zhou Xun). Sie ist in ihren besten Freund Marco (Huang Xiao Ming) verliebt. Wie sie es schafft, ihm dessen garstige Tussi-Freundin - zu allem Überfluss stammt sie aus Taiwan! - abspenstig zu machen, schildert die Komödie mal zotig, mal verspielt. Dabei jongliert sie mit Geschlechterklischees, ist nicht immer politisch korrekt und wirbt schließlich sympathisch dafür, dass Männer sich auch in kumpelhaftere Frauen verlieben sollen.
Im ländlichen China von Heute, das im chinesischen Kino immer mehr aufgewertet wird, spielt dagegen die Horrorkomödie »Million Dollar Crocodile« (Regie: Lin Li Sheng). Das Titel gebende Reptil mischt ein Dorf voller trotteliger Beamter und geldgieriger Restaurantköche auf und ist Zielscheibe der jungen Wen Yan, denn es hat ihre Ersparnisse in Höhe von 100 000 Euro verschlungen. Hinter der Fassade des Genrefilms kritisiert der Film die Ineffektivität von Behörden sowie die Profitgier im doch sehr kapitalistischen chinesischen Sozialismus.
Zeughauskino, Unter den Linden 2, Mitte, 30.10. bis 29.11.; www.dhm.de/zeughauskino
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