Auf der Jagd nach dem spektakulären Abenteuer
Robert Zemeckis zu »Zurück in die Zukunft« und »The Walk«
Eine weitere Folge der Trilogie wird es zu Lebzeiten des Regisseurs und des Autors Bob Gale nicht geben – das haben sich beide vertraglich zusichern lassen. Für den in Special Effects verliebten Regisseur war es nach »Auf der Suche nach dem grünen Diamanten« der Durchbruch. Es folgte »Falsches Spiel mit Roger Rabbit«, »Der Tod steht ihr gut«, und der Oscar für den innovativen »Forrest Gump«. Der Technik-Freak Zemeckis experimentierte dann mit dem Verschmelzen von Real- und Animationsfilm in »Polar-Express«, »Beowulf« und der Adaption von Dickens »Weihnachtsgeschichte« Nun präsentiert der 63jährige »The Walk«, die märchenhafte Lebensgeschichte des Franzosen Philippe Petit, der im August 1974 die rund 30 Meter zwischen den Twin Towers auf dem Seil überwand. Und natürlich unter Zeitdruck geriet, als sein Plan nicht ganz aufging.
Was fasziniert Sie an Menschen, die unter Termindruck sind?
Wenn man eine Reihe von Filmen gedreht hat, schälen sich wohl zwangsläufig bestimmte Lieblingsthemen heraus. Ich leugne meine Vorliebe für Geschichten von Menschen nicht, die über sich hinauswachsen, weil sie fest an sich und eine Sache glauben. Dass sie dabei oft unter Zeitdruck geraten, ist wohl unausweichlich. Dass dieses Motiv in meinen Filmen oft auftaucht, ist trotzdem dem Zufall geschuldet. Wenn mir ein Drehbuch angeboten wird, stelle ich mir zwei Fragen: Würde ich mir den Film gerne ansehen? Und wird er andere Menschen interessieren? Die Interpretation und das Aufspüren eines Roten Fadens in meinem Werk überlasse ich dann den Kritikern.
Hat Sie die Geschichte Petits interessiert, weil Sie sich selbst mal auf dem Seil probiert haben?
Das würde mir nicht im Traum einfallen. Ich bin weder schwindelfrei noch kann ich die Balance halten. Und wenn ich neben Gordon stehe, ist der Unterschied offensichtlich. Er ist ein sportlicher, graziler Typ mit den besten Voraussetzungen. Das war ich nie.
Warum hat es zehn Jahre gebraucht, den Film zu drehen?
Seit einigen Jahren ist es in Hollywood nahezu unmöglich einen Stoff schnell zu finanzieren, der nicht auf einem bekannten Roman, Comic oder gar einem Video-Spiel beruht. Die Action-Filme sehen aus wie Videospiele, es fehlen heute emotional berührende Storys über Menschen aus Fleisch und Blut.
Haben Sie diese Entwicklung nicht mit der »Back to the Future«–Trilogie forciert, die Teil von Dutzenden fantasiereichen Filmen der »Spielberg-Factory« waren, die die Sehgewohnheiten nachhaltig veränderten?
Die Blockbuster der 1980er mögen nicht ganz unschuldig sein. Es ist aber nur eine Seite der Wahrheit. In den Achtzigern war Originalität gefragt. Wir waren von der Idee beseelt, neue und spannende Geschichten zu erzählen. Je origineller und einzigartiger ein Film war, umso populärer wurde er. Solche Filmerlebnisse bleiben im Gedächtnis, und die Trilogie »Back to the Future« begeistert noch heute junge Leute.
Warum ist Hollywood mutlos geworden?
Ich klinge jetzt wie ein alter Mann, der ich auch bin, der den guten alten Zeiten nach trauert. Als ich meine ersten Schritte als Regisseur machte, bestimmten Filme den Zeitgeist. Jeder wollte »E.T.« sehen, um mitreden zu können. Solche Aufmerksamkeit erreichen Filme heute selten. Und im Gegensatz zu meiner Generation, die mit der Magie des Kinos aufwuchs und für die Filme nicht rund um die Uhr verfügbar waren, kennen Teenager heute paradoxerweise nur wenige Filme, die älter als fünf Jahre sind. Sie haben kein Interesse am klassischen Kino. Doch wenn Film nicht mehr als Kunst gesehen wird, wird er zu einem Modeartikel mit kurzer Lebensdauer. Schell konsumierbar und nicht wert, bewahrt zu werden. Diese Entwicklungen zwangen die Hollywood-Studios, ihre Strategie zu ändern. Diese Situation stimmt mich traurig.
Ist die Entwicklung irreversibel?
Ich hoffe auch, dass sich dies ändert und Originalität wieder gefragt ist. Sonst verlieren wir das Publikum.
Ist Philippe Petit für Sie ein Bruder im Geist, weil jeder Künstler ein wenig verrückt sein muss?
Wir mögen auf Außenstehende verrückt wirken. Petit würde sagen, uns eint die Leidenschaft. Wir setzen ständig für eine Idee alles auf eine Karte und riskieren unser Leben. Nur dass ich nicht meine physische Unversehrtheit aufs Spiel setze. Mein Herzblut steckt jedoch in jedem neuen Film-Abenteuer.
Ist »The Walk« nicht auch eine Liebeserklärung an New York und die Twin Towers?
Der Film ist ein Liebesbrief an die Türme, die alle schmerzlich vermissen. Er erinnert an die Toten und den Verlust nicht mit einer tragischen Geschichte, sondern feiert eine sensationelle Aktion und einen Triumph des menschlichen Willens. Die New Yorker mochten die Türme bis zu Petits Aktion nicht besonders. Danach sahen sie mit anderen Augen. Daher ist für mich auch der magischste Moment des Films der Gesichtsausdruck von Joe, wenn er das erste Mal zwischen den Türmen auf dem Seil steht. Für die Szene stand er im Studio selbst auf dem Seil und freute sich, dass er die Herausforderung gepackt hat.
Mit hat sich der Magen umgedreht, als Levitt auf dem Dach stand. War dies beabsichtigt?
Der Kinosessel ist der beste Platz, um seine Höhenangst gefahrlos zu testen. Die Erfahrung kann nebenbei auch einen therapeutischen Effekt haben. Wenn das Licht wieder angeht, ist man okay.
Nehmen Sie nicht die Spannung, wenn Sie vor Beginn des Films betonen, dass die Handlung auf wahren Begebenheiten beruht?
Petits Aktion grenzt an Wahnsinn, der Zuschauer würde den Film ins Reich der Fantasie einordnen. Wenn er dagegen weiß, dass dieser verrückte Franzose wirklich aufs Seil stieg und den kleinsten Fehler mit dem Leben bezahlt hätte, fiebert er mit. Die Spannung und Dramatik steigt. Zugleich schwingt stets ein bisschen Wehmut mit. Die Aktion muss einmalig bleiben.
Die Trilogie »Zurück in die Zukunft« läuft am 21. Oktober bundesweit als Spezial-Veranstaltung. »The Walk« kommt am 22. Oktober ins Kino.
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