Potsdam erobert seine Kasernen

Minister Görke führt russischen Botschafter über einstige Liegenschaft der Sowjetarmee

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 280 Jahre war Potsdam Garnisonsstadt, doch mit dem russischen Truppenabzug endete diese Epoche 1994. Seither hat sich viel getan in der Landeshauptstadt - auch an den alten Kasernen.

Mehr als 21 Jahre, nachdem der letzte russische Soldat der Potsdamer Garnison die brandenburgische Landeshauptstadt verlassen hat, hat Finanzminister Christian Görke (LINKE) dem Botschafter der Russischen Förderation, Wladimir Grinin, zu einem früheren Kasernenkomplex geführt. Der Politiker, der zugleich stellvertretender Ministerpräsident des Landes ist, wollte dem russischen Diplomaten zeigen, was sich inzwischen auf den ehemals militärisch genutzten Liegenschaften getan hat.

»Habe ich das richtig verstanden, der Quadratmeter kostet hier 600 Euro?« Botschafter Grinin staunt nicht schlecht. Doch die Vertreter der Entwicklungsgesellschaft Potsdam-Jungfernsee können ihn beruhigen: »Nur am Ufer des Jungfernsees ist das Land so teuer, weiter entfernt müssen nur 300 Euro bezahlt werden.« Es sei also »für jeden Geldbeutel etwas dabei«. Und ein Viertel der Flächen habe auch schon einen Abnehmer gefunden.

Als Gast von Finanzminister Görke steht Grinin auf einer großen Wiese, die von Einbahnstraßen durchzogen ist. Vor einem Vierteljahrhundert standen hier die »Grauen Kasernen«, ein Militärkomplex, der 1936 errichtet und nach 1945 von Einheiten der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) und später der Westgruppe der russischen Armee genutzt wurde. Auf dieser Liegenschaft, die die scheidende Besatzungsmacht im Jahre 1991 an die Bundesrepublik übergeben hatte, überzeugt sich der Botschafter von den Ergebnissen der Konversion und der Vermarktung. Und er dankte für die Idee und die Initiative zu diesem Treffen. Es sei ein Beitrag, um »die Beziehungen zwischen unseren Ländern zu entwickeln«, sagte Grinin. Und wenn hier 2016 der 25. Jahrestag des Abzugs der russischen Truppen begangen werde, »dann könnten wir feiern, was zu feiern wäre«, setzt er diplomatisch hinzu.

Minister Görke erläuterte dem Gast, dass sich die Grundstückspreise in Potsdam rasant erhöht haben und die Landeshauptstadt inzwischen zu den zehn teuersten Städten in Deutschland gehöre. Daher werde in seiner Umgebung intensiv an der Erschließung weiterer Flächen gearbeitet. Das Entwicklungsgebiet am Jungfernsee werde bis zum Fahrplanwechsel 2017/18 über einen eigenen Straßenbahnanschluss verfügen. Und die Verbindung werde noch drei Kilometer weiter geführt bis ins ehemalige sowjetische Kasernengelände in Krampnitz. Dieser Standort sei »politisch in die Diskussion gekommen«, sagte Görke vielsagend und spielte damit auf einen mutmaßlichen örtlichen Bauskandal an.

Am Erschließungsgelände Jungfernsee mit seinen 43 Hektar gibt es solche Probleme aber nicht. »Wie Sie sehen, sehen Sie nichts«, sagt die Geschäftsführerin der Brandenburgischen Boden Gesellschaft, Andrea Magdeburg.

Die »Grauen Kasernen«, die übrigens dank seiner Backsteinmauern in Wirklichkeit genauso rot waren, wie die benachbarten »Roten Kasernen«, wurden 2002 restlos abgetragen, um auf diesem Gelände ein gemischten Wohn- und Gewerbekomplex zu errichten. Erworben hat dieses Areal in der Nähe des Jungfernsees der Software-Milliardär Hasso Plattner. Ein Innovationscenter des Konzerns SAP ließ er schon erreichten, weitere sollen folgen. Die vergangenen Jahre wurden unter anderem zu einer intensiven Reinigung des Bodens genutzt, vor allem versickertes Altöl war ein gewaltiges Problem. Noch heute sind Grundwasser-Prüfstellen zu erkennen, die neuen Eigentümer der 150 Baugrundstücke (von kleinen Häuschen bis hin zu Stadtvillen) sollen einwandfreie Grundstücke erworben haben. »Und nicht solche zur Benzingewinnung«, zeigte sich Botschafter Ginenin sachverständig.

Minister Görke informierte darüber, dass Brandenburg seinerzeit einen eigenen Weg der Verwertung einstiger sowjetischer Liegenschaften gegangen sei. Mehr als 100 000 Hektar habe das Land nach 1990 übernommen und der zivilen Nutzung zugeführt. Bis auf einen Rest von schwer zu veräußernden 10 000 Hektar sei das abgeschlossen. Doch zeigt sich Görke zuversichtlich, dass das Land auf diesen Flächen nicht sitzenbleiben wird. »Schon werden Bau- und Gewerbeflächen knapp.«

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