Kanzlerin Merkel trägt eine Göttin nach Indien
Regierungschef Modi verspricht deutschen Unternehmen einen leichteren Zugang zum Markt
Beziehungen funktionieren nur, wenn man dafür etwas gibt. Davon ist Indiens Premierminister Narendra Modi überzeugt. Das formuliert er auch auf dem Podium neben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die ihn am Montag in Neu-Delhi besuchte. »Freundschaft«, sagte der Regierungschef in Richtung seines Gastes, »ist eine Pflanze, die man gießen muss«. Im deutsch-indischen Verhältnis scheint das zu funktionieren: Berlin bewässert die Kooperation mit milliardenschweren Finanzzusagen. Indien verspricht im Gegenzug einen leichteren Marktzugang für deutsche Firmen. Zudem überreichte die Bundeskanzlerin die Statue der Hindu-Göttin Durga an Premierminister Modi. Die 1300 Jahre alte Statue wird vom Stuttgarter Linden-Museum an Indien zurückgegeben.
Investoren aus Deutschland will Modi künftig eine bevorzugte Behandlung garantieren. Ein sogenanntes Fast-Track-Verfahren soll dazu führen, dass sich Investitionsvorhaben aus Deutschland schneller umsetzen lassen. Nach dem Plan müssen sich Unternehmen nur an einen Ansprechpartner richten, um sämtliche Verwaltungsangelegenheiten zu erledigen. Diese zentrale Anlaufstelle soll zudem Bürokratieprobleme aus dem Weg räumen.
Bislang sind die Hürden für Unternehmer in Indien groß. In der »Ease of Doing Business«-Rangliste der Weltbank, die Investitionsbedingungen international vergleicht, liegt Indien abgeschlagen auf Platz 142. Auch Merkel scheint nicht zu glauben, dass sich alle Probleme in Luft auflösen werden. Sie lässt bei einem kurzen Presseauftritt neben Modi weiteren Gesprächsbedarf erkennen: »Wir haben einen Mechanismus entwickelt, dass wir sehr spezifisch benennen, wo etwas klemmt«, sagt sie, »damit wir das, was stockt, wieder ins Laufen bringen können«.
Am meisten klemmt es derzeit bei einem geplanten Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU. Noch vor einem halben Jahr hatte Modi bei seinem Besuch auf der Hannover Messe in Deutschland gefordert, dass die Verhandlungen »zügig fortgesetzt« und »frühestmöglich« zu einer Vereinbarung führen sollen.
Doch Modi überlegte es sich anders: Im August sagte er im Streit um die Zulassung von indischen Pharmaprodukten in Europa geplante Gespräche zur Handelsvereinbarung kurzfristig ab. Merkel, die nach Angaben von Diplomaten für ein Ende der Blockade werben wollte, muss sich nun mit einer Absichtserklärung zufrieden geben. In einer gemeinsamen Erklärung teilten die Regierungen lediglich mit, »für eine mögliche baldige Wiederaufnahme der Verhandlungen zu sorgen«.
Dass den Ankündigungen aus Indien nicht immer zu trauen sei, bemängelten mehrere Wirtschaftsvertreter, die neben vier Bundesministern Merkel auf ihrer Indienreise begleiteten. Airbuschef Thomas Enders kritisierte, öffentliche Ausschreibungen seien in der Vergangenheit mehrmals aus »ziemlich dubiosen Gründen« widerrufen worden. »Das hat uns sehr viel Geld gekostet«, sagte der Manager. Zuvor hatte auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier beklagt, dass Indiens Bürokratie und Korruption eine Last für Investoren seien.
Trotz der kritischen Worte lobte Modi Deutschland als einen »starken Partner« für Indiens wirtschaftlichen Aufstieg. Er freute sich über eine Kooperation beim Ausbau der Solarenergie in Indien, mit der sein Land in den kommenden fünf Jahren verbilligte Kredite im Volumen von einer Milliarde Euro aus Deutschland erhalten soll. Ende vergangener Woche hatte seine Regierung angekündigt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix bis 2030 auf 40 Prozent zu erhöhen. Die Zusammenarbeit mit Deutschland in diesem Bereich bezeichnete er als »Allianz mit Langfristvision«.
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