Rechtspopulisten punkten beim Flüchtlingsthema

Vor einem Jahr ist die AfD in den Landtag eingezogen - selbst die Spaltung der Bundespartei hat sie überstanden

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zukunft der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) ist unklar. Die Partei nutzt die Asyldebatte, sich zu stabilisieren.

Nach der tiefgreifenden Spaltung der AfD vor einigen Monaten »haben tatsächlich die meisten gedacht, das war’s jetzt, davon wird sie sich nicht mehr erholen«. So fasste Politologe Carsten Koschmieder vom Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin am Montag die gängige Erwartungshaltung der etablierten Parteien zusammen. Die meisten politischen Kommentatoren wähnten, die AfD würde allenfalls noch auf der Ebene der Länder eine Rolle spielen.

Im Unterschied zu anderen Bundesländern habe die AfD in Brandenburg jedoch kaum Mitglieder eingebüßt. Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, vor allem aber der jetzt einsetzende Wandel der Positionen in CDU und SPD »hat die AfD nach oben katapultiert«, so Koschmieder. Ob eine Partei für den Wähler eine Rolle spiele, hänge nicht allein von ihr selbst ab, sondern auch von der Arbeit der anderen Parteien, stellte der Politologe klar. Weil das Flüchtlingsthema ein Thema sei, »mit dem die AfD punkten kann« und das täglich die Medien fülle, »profitiert die AfD ungemein«. Dennoch sei die künftige Entwicklung offen: »Wenn das Thema verschwindet und die Integration gelingt, kann die AfD sehr schnell abrutschen.« Bleibe es, könne der Zuspruch für die AfD noch wachsen. »Dann hätte sie auch Chancen bei der Bundestagswahl.«

Die AfD profitiere stark von fremdenfeindlichen Stimmungen. Das sei in einer Zeit, in der die anderen Parteien um Antworten auf schwierige Fragen ringen, »brandgefährlich«, sagte Gideon Botsch vom Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam. Die mit dem Einzug der AfD vor einem Jahr im Landtag entstandene Lage sei allerdings nicht so neu, denn zwei Legislaturperioden hintereinander habe es dort auch eine Fraktion der rechtsextremistischen DVU gegeben, einer Partei, die heute gar nicht mehr existiere. Anders als die DVU sei die AfD eine rechtspopulistische Partei, bei der es Berührungspunkte sowohl mit Rechtsextremen als auch mit anderen Parteien gebe. Die AfD setze in ihrer politischen Arbeit mehr auf Schlagworte und Parolen, in denen sie Ängste, Unwissenheit und Verunsicherung von Menschen aufgreife, weniger auf konstruktive Politikangebote, erläuterte Bosch.

Den Einfluss, den die AfD im Landtag ausübe, sollte man nicht überschätzen, meinte Bosch. Es gebe Eklats und Provokationen, eine Bilanz der politischen Tätigkeit im eigentlichen Sinne gebe es nicht. Die AfD sei aktiver als die DVU, sie bediene sich auch stärker des parlamentarischen Instrumentariums. Die Möglichkeit, sich als eine Art politischer Ersatz für die FDP darzustellen, sei aber mit dem Sieg des »nationalkonservativen« Flügels über die »Wirtschaftsliberalen« dahin. Das äußere sich auch in veränderten Positionen zum Mindestlohn, zu den Russland-Sanktionen und zum Freihandelsabkommen mit den USA. Ferner sei es der AfD allenfalls ansatzweise gelungen, sich der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung als natürlicher Verbündeter anzudienen, oder sich Anhängern rechtsextremistischer Strömungen als Heimat anzubieten. Bei den Nichtwählern habe die AfD »erstaunlich wenig punkten« können. Nur ein Drittel der ausgesprochen rechten Wähler habe die AfD gewählt. »Für die AfD wird es schwierig, diesen Spagat auszuhalten.«

In den Absprachen anderer Parteien zum Umgang mit der AfD sehen die beiden Politikwissenschaftler keinen Verstoß gegen demokratische Gepflogenheiten. Vereinbarungen beim Rede- oder Stimmverhalten seien ein legitimes Recht der Fraktionen.

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