Dein Freund und Lebensschützer

Radikale Abtreibungsgegner versuchen, Menschen mit Behinderung für sich zu gewinnen

Wenn am Wochenende in Berlin wieder Tausende Abtreibungsgegner »Für das Leben« marschieren, protestieren auch Feministinnen mit Behinderung dagegen.

Ein fröhliches blondes Kind hält ein großes, gemaltes Herz vor sich, darüber steht: »Gemeinsam für das Leben. Immer«. Die Werbung des Bundesverbands Lebensrecht für den »Marsch für das Leben« ist geschickt. Denn bei dem süßen Fratz handelt es sich um ein Kind mit Trisomie 21 und es ist eine traurige Tatsache, dass derzeit über 90 Prozent der Schwangerschaften, in deren Verlauf diese Diagnose gestellt wird, abgebrochen werden. Wenn sich am Samstag wieder Tausende christliche Fundamentalisten in Berlin zu ihrem »Marsch für das Leben« versammeln, werden auch Menschen mit Behinderung dabei sein, die sich für ein Europa ohne »Euthanasie«, Abtreibung und Sterbehilfe aussprechen.

Vertreterinnen des Netzwerks behinderter Frauen werden an diesem Tag ebenfalls unterwegs sein - um den »Lebensschützern« entgegenzutreten. Für Ulrike Haase gilt der alte Spruch: »Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine.« Sie ist mit ihrer Organisation Teil des Netzwerks Frauengesundheit, welches das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung mitträgt.

Es scheint ein schmaler Grat zu sein zwischen individueller Selbstbestimmung für Frauen und dem Druck einer Gesellschaft, die aus gewollten Schwangerschaften ungewollte werden lässt und den »Lebensschützern« Zulauf verschafft. »Wir müssen weg von diesem Mythos gesundes Kind«, sagt Haase. Trisomie 21 und andere Formen der Beeinträchtigung seien keine Krankheiten. Und Eltern mit behinderten Kindern müssten viel mehr Unterstützung erhalten.

Kirsten Achtelik, Autorin des gerade erschienenen Buches »Selbstbestimmte Norm. Feminismus, Pränataldiagnostik, Abtreibung« (Verbrecher Verlag) sieht in der gängigen Forderung von Feministinnen, über ihren Körper und ihr Leben selbstbestimmt entscheiden zu können, die Kämpfe von Feministinnen mit Behinderung sträflich vernachlässigt, die sich gegen einen individualisierten Begriff von Selbstbestimmung wenden. Ihr Anliegen ist, die »marginalisierte« Position von Queerfeministinnen stark zu machen, die die Kritik an standardisierter Pränataldiagnostik und das Recht auf Abtreibung nicht gegeneinander ausspielen lassen wollen. Selbstbestimmung werde nur dann zu »individueller Bedürfnisbefriedigung innerhalb der gesellschaftlichen Normen«, wenn ein Verständnis für die Faktoren fehle, die die persönliche Entscheidung beeinflussen. Ihre streitbare Forderung ist, dass selektive PND keine Kassenleistung mehr sein dürfe. »Wenn solche Untersuchungen die Ausnahme statt die Regel wären, würde sich die Dynamik umkehren.« Sie beschreibt die »Dia-gnosespirale«, die beginne, wenn bei der Ultraschalluntersuchung - welche fast alle Frauen für selbstverständlich erachteten - nicht »alles in Ordnung« ist wie erhofft. Und eben nicht selten den Abbruch einer an sich gewünschten Schwangerschaft zur Folge hat.

Achtelik zitiert Feministinnen mit Behinderung, die sich bereits Anfang der neunziger Jahr mit dem Thema konfrontiert sahen, nur dass die »Lebensschützer« damals weniger gesellschaftlich etabliert waren als heute: »Gegenüber den Frauen aus der Frauenbewegung müssen wir immer wieder klarstellen, daß wir ... für die ersatzlose Streichung des § 218 sind. Wir kritisieren aber selektive Abtreibungen, die aufgrund eines einzigen Qualitätsmerkmals des Embryos - seiner ›mangelhaften‹ Qualität - ... vorgenommen werden.« Den »Lebensschützern« müssten sie dagegen immer wieder deutlich machen, dass sie ihre Position nicht teilen und sich von ihnen nicht vereinnahmen und instrumentalisieren lassen.

Das ist natürlich auch für Ulrike Haase klar. Die sich so humanistisch gebenden Lebensschützer, die mitunter aus den Reihen der Union oder der AfD kommen, bewerteten Menschen ansonsten nach dem Leistungsprinzip.

Das Bündnis »Sexuelle Selbstbestimmung« trifft sich am 19.9. um 11.30 Uhr am Brandenburger Tor (www.sexuelle-selbstbestimmung.de), das antifaschistisch-queerfeministische Bündnis »What the fuck« um 11 Uhr am Anhalter Bahnhof (whatthefuck.noblogs.org).

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