Obamas linker Einflüsterer

US-Präsidentschaftsberater Maurice Obstfeld wird Chefvolkswirt des IWF.

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass die Bundesregierung nun doch einem dritten Kreditprogramm für Griechenland zugestimmt hat, obwohl der Internationale Währungsfonds (IWF) vorerst nicht dabei ist, könnte vielleicht auch an einer Personalie liegen: Maurice Obstfeld. Der gebürtige New Yorker wird am 8. September den Posten des IWF-Chefvolkswirts übernehmen. Und er gilt als klarer Befürworter eines Schuldenschnitts für Krisenstaaten in der Eurozone.

»Die Märkte mögen glauben, dass es im Hinblick auf die Staatsanleihen unwahrscheinlich ist, dass es zu einer Pleite kommt. Das bedeutet nicht, dass es für immer ausgeschlossen werden kann: Die Schuldenlast von Griechenland ist immer noch hoch«, erklärte Obstfeld erst im April. Mit ihm hebt IWF-Chefin Christine Lagarde nun einen Nachfolger für den scheidenden Olivier Blanchard ins Amt des IWF-Chefvolkswirt, der für deutsche Ohren eher unbequeme Positionen vertreten wird.

Inwiefern die Personalie Obstfeld zu Lagardes neuestem Schwenk im Griechenland-Poker passt, ist dabei fraglich. Schließlich ging sie jüngst auf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu, der gleichzeitig einen Schuldenschnitt verhindern und den IWF wieder mit ins Boot der Griechenland-Gläubiger holen will. So sagte Lagarde in einem Interview der Schweizer Zeitung »Le Temps«, dass man nicht mehr »über den Erlass von Schulden« spreche und rückte damit von der im Raum stehenden Forderung eines Erlasses griechischer Schulden durch die europäischen Gläubiger ab. Wobei der IWF, der als äußerst harter Verhandlungspartner gilt, Athen allerdings nie seine eigenen Forderungen erlassen wollte.

Doch zeigte Lagarde sich auch davon »begeistert«, dass sie Obstfeld als neuen IWF-Chefvolkswirt gewinnen konnte. Zumal dieser kein Unbekannter beim IWF ist. Bereits vier Mal forschte er für die internationale Institution, zuletzt im Jahr 2012.

Obstfeld ist ein Starökonom. Sein Lehrbuch »Internationale Wirtschaft«, das er zusammen mit Paul Krugman geschrieben hat, ist eine absolute Pflichtlektüre für jeden Volkswirtschaftsstudenten. Jenen Krugman, der in den vergangenen Monaten wie kein anderer Ökonom von Weltrang die Positionen der SYRIZA-geführten Regierung in Griechenland verteidigte, lernte Obstfeld bereits in jungen Jahren kennen.

Nachdem der heute 63-Jährige 1975 sein Studium an der englischen Eliteuniversität Cambridge abgeschlossen hatte, ging er für seine Doktorarbeit an eine mindestens ebenso renommierte US-Universität: das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dort teilte Obstfeld sich mit Krugman seinen Doktorvater, den deutsch-US-amerikanischen Ökonom Rüdiger »Rudi« Dornbusch. Bei ihm legte Obstfeld 1979 seine Dissertation über die Mobilität des Kapitals und Geldpolitik bei fixen und flexiblen Wechselkursen ab. Insbesondere was die Erforschung internationaler Kapitalströme angeht, kann wohl nun keiner mehr Obstfeld etwas vormachen.

Zu jener Zeit tummelte sich am MIT auch noch so manch anderer Student, der bald groß Karriere machen sollte: Obstfelds Vorgänger Blanchard studierte in den späten 1970er Jahren ebenso an der Eliteuni wie der ehemalige Chef der US-Notenbank, Ben Bernanke, oder der jetzige Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi.

Während Krugman mittlerweile in Princeton lehrt und im Jahr 2008 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, hat Obstfeld seit 1989 einen Lehrstuhl an der kalifornischen Universität Berkeley inne. Doch seine Tätigkeiten beschränken sich bei Weitem nicht auf Lehre und Forschung. Er berät etwa die japanische Zentralbank - vor allem aber hat er das Ohr des US-Präsidenten. Seit Juli 2014 gehört Obstfeld zum dreiköpfigen Wirtschaftsberaterstab von Barack Obama. Die mahnenden Worte des Weißen Hauses gen Berlin in den letzten Monaten, man könne Griechenland nicht beliebig ausquetschen und man müsse eine für beide Seiten akzeptable Vereinbarung erreichen, werden wohl auch auf die Tipps von Obamas Berater zurückzuführen sein.

Dass Obstfeld dem keynesianischen Kreis linker Ökonomen um Krugman und Co. angehört, hindert es ihn nicht daran, zuweilen auch mit dem ideologischen Gegner zusammenzuarbeiten. So publizierte er mehrfach gemeinsam mit Kenneth Rogoff. Dieser hat zwar ebenfalls am MIT studiert, gehört aber zur neoliberalen Denkschule. Besonders viel Aufsehen erregte dabei Rogoffs Aufsatz »Wachstum in Zeiten von Schulden«, den er 2010 zusammen mit der Ökonomin Carmen Reinhart schrieb. Darin vertreten die beiden die These, dass sich das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft stark verringere, wenn die Verschuldung auf mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steige. Zwar erwiesen sich deren Berechnungen dazu später als fehlerhaft, doch hinderte dies Politiker wie Schäuble nicht daran, Rogoffs und Reinharts These zur Staatsdoktrin zu erheben.

Vielleicht hat auch Obstfeld die These seiner Kollegen übernommen, nur dass er zu einem anderen Schluss als der deutsche Finanzminister kommt. Eisernes Sparen hilft eben im Falle Griechenlands nicht aus einer Schuldenkrise heraus, sondern nur ein Schuldenschnitt. Der ökonomische Sachverstand ist auf jeden Fall auf Obstfelds Seite.

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