Der Komiker vom rechten Rand

Wie die italienische Fünf-Sterne-Bewegung um Beppe Grillo rechte Politik auf Kosten von Flüchtlingen betreibt

  • Wolf H. Wagner
  • Lesedauer: 3 Min.
Für eine schärfere Flüchtlingspolitik setzen sich Politiker der Bewegung 5 Sterne (M5S) ein. Abschiebung soll erleichtert, Überwachung strenger und die Abschottung forciert werden. Damit nähern sie sich den rechten Positionen der Lega Nord an.

Florenz. Einen Vier-Punkte-Plan hat der Movimento 5 Stelle, die Oppositionspartei des früheren Komikers Beppe Grillo, zu Fragen der Asylpolitik aufgestellt. Darin fordern die M5S-Politiker, »die Schraube bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen schärfer anzuziehen, die Flüchtlinge in den Aufnahmelagern strenger zu bewachen, ein effizientes Rückführungssystem zu installieren sowie die Beschwerdemöglichkeit gegen abgelehnte Asylanträge einzuschränken«.

Der auf dem Blog Beppe Grillos veröffentlichte Forderungskatalog erschien nur zwei Stunden, nachdem in der vergangenen Woche vor der libyschen Küste ein Flüchtlingsboot gekentert war, 200 Menschen dabei ihr Leben verloren und etwa 800 von internationalen Schiffen gerettet wurden. Der lapidare Kommentar des Lega-Nord-Chefs Matteo Salvini dazu: »800 neue Ankömmlinge? Soll sie doch der Vatikan oder Brüssel nehmen«.

Italien überfordert

Hintergrund für den neuen M5S-Vorstoß ist die permanente Überforderung Italiens durch die stetig neu ankommenden Flüchtlingswellen. Rom rechnet damit, dass bis zum Jahresende mehr als 200.000 Menschen aus den Krisengebieten die Flucht über das Mittelmeer angetreten haben werden. Nach den EU-Plänen sollen jedoch in den kommenden zwei Jahren nur etwa 40.000 Flüchtlinge – und diese auch nur aus Eritrea und Syrien – auf die Mitgliedsländer der Gemeinschaft verteilt werden.

Das hieße, die übrigen blieben hierzulande in Aufnahmelagern, bis ihr Asylantrag entschieden ist, tauchen illegal unter oder versuchen die Flucht in andere EU-Staaten fortzusetzen. Nach Ansicht der M5S-Politiker würden jedoch ohnehin 40 bis 50 Prozent aller Anträge abgelehnt, also könne man die Abschiebepraxis verschärfen. Mit diesem Gedankengang rücken die Grillini in deutliche Nähe zu den ausländerfeindlichen und rassistischen Parolen der Lega-Vertreter.

Scharfer Protest aus Regierungskreisen

»Nach diesen Vorschlägen zur Immigration fehlt nur noch, dass sich Grillo direkt bei der Lega einschreibt«, erklärte der Präsident des Partito Democratico (Pd), Matteo Orfini, und fügte hinzu. »Letztlich treffen sich alle Schakale immer wieder am rechten Rand.«

Auch Außenminister Paolo Gentiloni verurteilte die jüngsten Erklärungen von M5S und Lega Nord zur Flüchtlingsproblematik. Es gebe Leute, die selbst angesichts der Opfer vor der libyschen Küste Demagogie betrieben, so die Nummer Eins der Farnesina, doch zum Glück sei die Mehrheit der Italiener nicht egoistisch und stimme nicht in solche Litaneien ein.

Der Außenminister begrüßte die Initiativen der EU, die allerdings seiner Ansicht nach noch viel zu langsam realisiert würden. Unter anderem ist eine finanzielle Unterstützung zur Behebung der Flüchtlingsproblematik und der Verstärkung der Sicherheit der Union geplant, dafür will Brüssel bis 2020 sieben Milliarden Euro (7,4 Milliarden Franken) zur Verfügung stellen. Aus diesem Topf soll Italien 310 Millionen Euro für die Betreuung der Flüchtlinge sowie weitere 200 Millionen für die Sicherheit an den Außengrenzen erhalten.

Papst nennt Zurückweisung einen Akt des Krieges

Ob damit die dramatischen Zustände im Mittelmeer gemildert werden können, ist höchst zweifelhaft. So lange die Krisenzustände in den Herkunftsländern nicht abgestellt werden, kommen auch in Zukunft neue Flüchtlingsströme, die Sicherheit und soziale wie wirtschaftliche Geborgenheit suchen, nach Europa. Papst Franziskus bezeichnete erst in der vergangenen Woche die Abweisung in Not geratener Flüchtlinge als einen Akt des Krieges, der Gewalt und des Mordens. Mit diesen Worten provozierte der Pontifex offensichtlich die Reaktion des Chef-Leghisten Salvini, der Neuankömmlinge im Vatikan unterbringen will.

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