Russland in neuer Bedrängnis
Iran rückt mit ambitionierten Projekten in Moskauer Einflusssphären vor
Die ersten Sanktionen, die die internationale Gemeinschaft gegen Iran verhängte, sollen in 90 Tagen fallen. So lange will Kasachstan nicht warten. In Almaty begann Mittwoch ein zweitägiges kasachisch-iranisches Business-Forum. Priorität haben dabei nicht Energieprojekte - beide Staaten gehören zu den weltweit größten Öl- und Gasförderern - sondern Zusammenarbeit in Hightech-Branchen, Verkehr und Bildung.
Kasachstan saß nicht mit am Tisch, als die fünf Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland mit Teheran über dessen umstrittenes Kernforschungsprogramm verhandelten. Doch zweimal war es Gastgeber der Konsultationen. Iran hat das nicht vergessen.
Doch Dankbarkeit ist keine Kategorie internationaler Beziehungen und Teheran schon seit Jahren bemüht, wieder zur Großmacht in der Kaspi-Region aufzusteigen, die zu den Kernlanden persischer Großreiche zählte. Neben China und Russland investiert daher auch die Islamische Republik dort massiv.
So nahmen Kasachstan und Iran 2014 eine über Turkmenistan führende direkte Eisenbahnverbindung in Betrieb. Mit iranischer Hilfe wurde auch Kasachstans Kaspi-Hafen Aktau so ausgebaut, dass ihn Öltanker anlaufen können. Sie sollen die neue Raffinerie im Gebiet Mangyschlak versorgen. Kasachstan will im Gegenzug Agrar- wie Industrieerzeugnisse liefern, vor allem Getreide und Walzstahl.
Ähnlich ambitionierte Projekte hat Teheran auch im Südkaukasus, der ebenfalls lange iranisches Einflussgebiet war. Vor allem in Armenien, das aufgrund der Blockade, die Aserbaidschan und die Türkei 1991 verhängten, fast seinen gesamten Außenhandel über Iran abwickeln muss. So sollen am Grenzfluss Aras mehrere Wasserkraftwerke entstehen und diese Armeniens chronisches Stromdefizit beenden. Auch eine bereits begonnene Eisenbahnlinie soll fertiggestellt und eine Autobahn gebaut werden, die vom Persischen Golf über Armenien in den georgischen Schwarzmeerhafen Batumi führt. Beide Projekte liegen wegen der Sanktionen, die iranische Banken vom internationalen Zahlungsverkehr abschnitten, auf Eis.
Russland, das schon beim Gipfel der Schwellenländer in Ufa durch Chinas neue Seidenstraße in die Defensive geriet, fürchtet Ähnliches auch durch Iran. Dessen Wirtschaft, so russische Politikwissenschaftler, werde alsbald boomen. Russland käme nicht nur auf dem iranischen Markt durch verstärkte Konkurrenz westlicher und asiatischer Unternehmen arg in Bedrängnis sondern auch in der Eurasischen Wirtschaftsunion.
Mitglieder sind darin auch jene, die Iran gerade aktiv umwirbt: Armenien und Kasachstan. Beide sind zudem Mitglieder des pro-russischen Verteidigungsbündnisses der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS. Ganz spannungsfrei ist ihr Verhältnis zu Moskau dennoch nicht. Zwar legt sich Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew für das Konzept einer multipolaren Welt ins Zeug, das auch zu den Fixpunkten russischer Außenpolitik gehört. Er peilt dabei indes selbst den Status eines Schwerkraftzentrums an, mit dem Moskau, Washington und Peking als Brücke zwischen Orient und Okzident auf gleicher Augenhöhe verhandeln.
Für Armenien steigen mit den Kraftwerken am Aras und erhöhten iranischen Gaslieferungen die Chancen beträchtlich, sich von Moskau zumindest wirtschaftlich zu emanzipieren. Gazprom und der russische Stromgigant RAO JEES, dem über eine Tochter Kraftwerke und Netze in Armenien gehören, könnten daher versuchen, die Iran-Projekte zu stoppen.
Im Falle eines Misslingens, glauben Kenner der Materie, habe Moskau einen Plan B: Annäherung an Armeniens Erbfeind Aserbaidschan. Staatschef Ilham Alijew hat Interesse an engerer Kooperation mit der Eurasischen Wirtschaftsunion, ohne ihr beizutreten. Das würde nicht nur auf eine Freihandelszone hinauslaufen, wie sie die Union kürzlich mit Vietnam vereinbarte. Auch in den Konflikt um Karabach, eine von Armeniern bewohnte Region Aserbaidschans, die sich 1988 für unabhängig erklärte, käme Bewegung. Moskau unterstützte bisher indirekt das verbündete Armenien.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.