Für die Schönen und Geschundenen

  • Lesedauer: 2 Min.

In Deutschland ist Sommer. Für einige Wochen ergibt sich dieses durch den schwäbischen Geldfetisch ins Graue getriebene Land der Leichtigkeit des Seins. In vielen Bundesländern haben die großen Schulferien begonnen, bis Ende Juli folgt der Rest des Landes. Und wie im jeden Jahr wird der Start in die unterrichtsfreie Zeit von vielen Medien mit Bildern von lachenden, begeisterten Kindern illustriert, die den Fotografen glückselig ihre Zeugnisse entgegenhalten.

In diesen Bilden steckt viel Wahrheit - Wahrheit über ihre klebrige Verführungskraft. Die Fotos zeigen nicht jene Kinder, für die die Schule alles andere als ein glücklicher Ort ist. So wie früher für Shane Koyczan. Der 39-jährige Kanadier veröffentlichte 2009 auf seinem Album »Shut And Say Something« das Sprechgedicht »To this day« (»Bis heute«), in dem er seine Erfahrungen als Opfer von Mobbingattacken in der Schule beschrieb. 2012 entstand daraus ein Video mit Trickfilmsequenzen, das später auf YouTube eingestellt wurde und innerhalb von nur zwei Tagen 1,4 Millionen Mal in der ganzen Welt geteilt wurde. Bis heute zählt der knapp sieben Minuten lange Film mit mehr als 16 Millionen Klicks zu den meist angesehensten Clips im Internet.

2014 ist zu diesem Film ein Buchprojekt entstanden, das jetzt auch auf Deutsch veröffentlicht wurde. 30 Illustratoren haben zu jeweils einigen Zeilen von Koyczans Gedicht eine Doppelseite gestaltet. Das Ergebnis sind ganz eigene, unterschiedliche Impressionen zum Thema Angst in der Schule. Allen gleich ist aber eines: Mobbingopfer sind immer jene, die von einer Mehrheit als Minderheit betrachtet werden: Das »Kopftuchmädchen« zum Beispiel, oder die »Brillenschlange«, der »Neger« … oder, wie es im Untertitel des Buches heißt: »Für die Schönen und Geschundenen«.

»Viel schlimmer als die Menschen, die dir wehtun, sind manchmal diejenigen, denen es egal ist, wenn du fertig gemacht wirst - diejenigen, die etwas tun könnten, es aber bewusst unterlassen«, schreibt Shane Koyczan in einem Grußwort zu diesem Buch. Vielleicht, so könnte man ihm entgegnen, werden einige von denen, die etwas tun könnten, es aber unterlassen, vom gleichen Gefühl heimgesucht, wie die Mobbingopfer: der Angst - der Angst, selbst zum Opfer zu werden. Mobbing ist auf beiden Seiten nicht nur Ausfluss persönlichen Versagens, sondern in erster Linie Ausdruck eines Systems, das Unterordnung verlangt. »Angst kann zum Schweigen verführen«, schreibt Koyczan weiter. »Aber denkt immer daran, dass die Welt nie von euch erfährt, wenn ihr nicht eure Stimme erhebt.« jam

Foto: Aladin/Katherine Jennings

Shane Koyczan: Bis heute, Deutsch von Andreas Steinhöfel, Aladin Verlag, Hamburg 2015, illustr., 12,90 Euro

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