SYRIZA und das Ja
Demos, Streiks und linker Parteiflügel gegen Tsipras’ Kurs
Es war das Bild des Montagabends, jedenfalls für viele Fotografen: Als eine Demonstrantin in Athen eine Fahne von SYRIZA anzündete, waren zahlreiche Medienvertreter zugegen.
Die Symbolik des Bildes liegt auf der Hand: Viele hatten große Erwartungen in den Wahlsieg der Linkspartei Ende Januar gesetzt, dieser nährte Hoffnungen auf das Ende der verhassten Gläubiger-Memoranden, auf den Rauswurf der Troika, auf einen Neuanfang. Gut fünf Monate später sehen sich nicht wenige enttäuscht. Die Vereinbarung eines Kreditprogramm aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus unter Voraussetzung strikter Auflagen halten viele für ein neues, sogar noch härteres Memorandum.
Am Montag gingen bereits Hunderte in Athen auf die Straße. In den kommenden Tagen dürften es mehr werden. Die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst, Adedy, hat für Mittwoch zu einem ganztägigen Streik aufgerufen. Auch der Gewerkschaftsbund Poe-Ota schloss sich an.
»Leider gibt es keine Demokratie mehr, diese Vereinbarung ist beschämend«, wurde einer der Demonstranten aus Athen zitiert. Anhänger der außerparlamentarischen Linkspartei Antarsya forderten von der Regierung ein »Nein bis zum Schluss«.
Dem schließen sich auch SYRIZA-Vertreter an: Mehrere Abgeordnete des linken Flügels kündigten bereits an, gegen ein neues Memorandum zu stimmen. Wie viele es sein werden, ist ungewiss. Die linke Zeitung »Efimerída ton Syntaktón«, auf deren Titelseite am Dienstag groß das Wort »Schwindel« prangte, sprach von 25 Abgeordneten, die Premier Alexis Tsipras auf dem nun eingeschlagenen Kurs die Gefolgschaft verweigern. Die Abstimmung über die ersten Gesetze, die von den Gläubigern zur Bedingung gemacht werden, wird für den Mittwochabend erwartet.
Eine Mehrheit für Tsipras dürfte zwar nicht in Gefahr sein, da auch Oppositionsparteien wie die konservative Nea Dimokratia und die liberale To Potami Zustimmung zur Brüsseler Einigung signalisiert haben. In Gefahr ist aber der Zusammenhalt von SYRIZA. Schon am Montagabend trat Vize-Außenminister Nikos Chountis von Amt und Mandat zurück. Unklar war am Dienstag, ob Tsipras nun eine Kabinettsumbildung anstrebt. Denn auch Energieminister Panagiotis Lafazanis und Sozialminister Dimitris Stratoulis gehören dem linken SYRIZA-Flügel an. Dort hatte die Brüssler Einigung für Empörung gesorgt. Es sei »auf denkbar tragische Weise deutlich« geworden, »dass es in der Wolfsallianz der Eurozone keinen Spielraum für eine unabhängige und vormundschaftsfreie Politik gegen die Rezession« geben könne. Lafazanis sagte laut »Kathimerini«, er werde nicht für die Gläubiger-Auflagen stimmen - aber auch nicht zurücktreten. Die Linke Plattform hat bis zu 40 Abgeordneten hinter sich, insgesamt gibt es 149 SYRIZA-Parlamentarier.
Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis versuchte in »Efimerida ton Syntakton« auf die Vorteile der Vereinbarung mit den Gläubigern hinzuweisen. Zwar räumt auch er ein, dass der Brüsseler Gipfel die regierende Linkspartei zur Erfüllung von Vorbedingungen gezwungen hat, die einen Rückzug von den Wahlversprechen bedeuten. Es sei aber gelungen, sich auf eine längerfristige Kreditpolitik zu verständigen - quasi »eine Mini-Umstrukturierung der griechischen Staatsschuld«. Die neuen Auflagen ließen sich zudem »in keiner Weise« mit den früheren Memoranden vergleichen - sie seien »viel milder«.
Bei der kommunistischen Strömung in SYRIZA zählt man solche Argumente zu den »Lügen unserer reformistischen Führer«. Von Verrat ist die Rede und davon, dass »der Zorn der linken Basis« in Aktionen münden müsse. Die Strömung rief am Montag zu einem unbefristeten Generalstreik auf - und zur Bildung von »Aktionsausschüssen in jedem Betrieb und in jedem Wohngebiet«.
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