Weitsicht von links

Der Briefwechsel zwischen Rudi Dutschke und Peter-Paul Zahl

  • Friedemann Kluge
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein knapp zweijähriger, zudem teilweise nur fragmentarisch überlieferter Briefwechsel zwischen Rudi Dutschke und dem 2011 verstorbenen Dichter und Schriftsteller Peter-Paul Zahl (»Von einem, der auszog, Geld zu verdienen«) kann naturgemäß ein nur eingeschränktes Licht auf das Leben, Denken und Wirken der beiden Korrespondenten werfen.

Es ist nicht überliefert, wann der Briefwechsel begann und was diesen Beginn motiviert haben könnte. Dutschke, von der großen Koalition der Schmuddeljournaille in solchem Maße zum Bürgerschreck gestempelt, dass die springerverkleisterten Synapsen ihn zum Abschuss freigaben, wollte Peter-Paul Zahl, den eine terroristisch aufgescheuchte Willkürjustiz nach bereits verbüßter Haftstrafe nochmals zu lebenslänglicher Haft glaubte verurteilen zu müssen, zunächst wohl nur seine Solidarität ausdrücken. Daraus entwickelte sich ein intensiver Briefwechsel, der sein Ende erst mit dem Tod Rudi Dutschkes fand.

Manche Inhalte dieser Briefe gehen über Tagesaktualitäten nicht hinaus und besitzen heute daher kaum noch einen größeren Erkenntniswert. Das gilt auch für jene (wenigen!) Fehleinschätzungen künftiger politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen: Für die Autoren war Ende der 1970er Jahre weder die osteuropäische Wende noch die deutsche Wiedervereinigung (von beiden zumindest so nicht gewünscht) noch die kommunikative Revolution von Internet und Mobiltelefonie vorhersehbar.

Andere Einschätzungen hingegen sind durch glasklare Analysen und erstaunliche Weitsicht gekennzeichnet. So über den damals »linken« Rechtsanwalt Horst Mahler: »Der ist in zwei, drei Jahren in der CDU, darauf kannst Du Dich verlassen.« Dass dieser Mann völlig zu den Neonazis abschwirren würde, war selbst einem scharfen Denker wie Rudi Dutschke damals kaum vorstellbar.

Über den Tag hinaus gültig sind vor allem die treffenden Analysen der deutschen Sozialdemokratie. Sozial immune Figuren wie Clement (RWE), Schröder (Gazprom), Schily (Safe ID Solutions u. a.), deren Untaten ja bis heute nachwirken, fügten und fügen sich als Puzzleteile nur allzu passgenau in das von Dutschke schon damals entworfene Gesamtbild deutscher Sozialdemokratie.

Der Plan Dutschkes, seine »Bibliographie des Revolutionären Sozialismus« von 1966 gemeinsam mit Zahl zu überarbeiten und neu herauszugeben, war vor allem ein guter Vorwand, um die Genehmigung zu einem Besuch bei dem inhaftierten Zahl zu erwirken. Zu der geplanten Neubearbeitung ist es bis heute nicht gekommen. In sie, sollte sie von anderer Hand doch noch realisiert werden, wäre ganz unbedingt vorliegendes Buch als ein Dokument kluger sozialistischer Analysen und Strategien mit aufzunehmen.

Gretchen Dutschke/ Christoph Ludszuweit (Hg.): Mut und Wut. Rudi Dutschke und Peter-Paul Zahl. Briefwechsel 1978/79. Verlag M/ Edition Stadtmuseum »Berliner Subjekte«. 342 S., geb., 24,90 €.

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