Leerstand trotz steigender Flüchtlingszahl
Wohnungsfirmen erklären Probleme in Sachsen-Anhalt
Magdeburg. Der Leerstand bei den großen Wohnungsunternehmen in Sachsen-Anhalt steigt erstmals seit zehn Jahren wieder an. 2014 standen zwölf Prozent von 345 000 Wohnungen der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft leer, wie die Verbände am Donnerstag mitteilten. Das entsprich fast jeder achten Wohnung. Im Vorjahr lag die Quote noch bei ungefähr 11,7 Prozent.
Die zuletzt stark angestiegene Zahl an Flüchtlingen sehen die Firmen allerdings nicht als Lösung. Die Unternehmen seien bereit, Wohnungen auch an Flüchtlinge vermieten, betonte der Chef des Verbandes der Wohnungswirtschaft, Jost Riecke. Der Chef des Verbandes der Wohnungsgenossenschaften, Ronald Meißner, betonte aber, er habe noch von keiner Firma gehört, die sage: »Ich kann damit Leerstand reduzieren.« Beide Verbände forderten, dass das Land für Flüchtlinge in Wohnungen ähnlich wie in Gemeinschaftsunterkünften auch Sozialarbeiter bereitstelle. Die seien auch notwendig, um ein gutes Zusammenleben mit den bisherigen Mietern zu gewährleisten.
Dass viele Kommunen trotz des hohen Leerstandes Probleme mit der Unterbringung von Flüchtlingen haben, erklärte Riecke mit einer ganzen Reihe von Gründen. So seien frisch sanierte Wohnungen oftmals zu teuer, und ein Teil der leer stehenden Wohnungen sei für den Abriss vorgesehen und derzeit nicht bewohnbar. Auch könnten die Kommunen nur Wohnungen anmieten, wenn sie auch Schulen oder medizinische Betreuung sicherstellen könnten - was bei abgelegenen Gebieten nicht unbedingt der Fall sei.
Meißner hatte am Dienstag in der »Magdburger Volksstimme« erklärt, wer über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung verfüge, sei herzlich willkommen. Aber Menschen, die sich noch im Asylverfahren befänden, »können wir keine Wohnung vermitteln«. Etwa 70 Prozent der Asylsuchenden würden ohnehin wieder in ihre Heimatländer zurückgeführt. Eine kurzzeitige Aufnahme bringe »Unruhe in die Nachbarschaften«, sagte Meißner weiter. Integration funktioniere erst, wenn die Menschen auch ein dauerhaftes Bleiberecht hätten. In solchen Fällen sei man auch zu einer Unterbringung bereit. Dafür müssten aber Städte und Kreise die gleichen Mietsätze erstatten wie bei Hartz IV-Beziehern.
Nach Schätzungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werden 2015 rund 11 430 Asylbewerber nach Sachsen-Anhalt kommen, im Vorjahr waren es rund 6600. Die CDU/SPD-Landesregierung hatte jüngst beschlossen, die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in Halberstadt mit Containern zu erweitern.
Die beiden Spitzenverbände der Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt vertreten knapp 200 Mitgliedsunternehmen, die rund 345 000 Wohnungen betreuen. Das entspricht jeder zweiten Mietwohnung im Land oder rund 25 Prozent des Gesamtbestandes. Seit 2000 wurden von den Unternehmen in den Verbänden 83 500 Wohnungen abgerissen, um Leerstand abzubauen und das Wohnumfeld zu verbessern. Die Miete betrug in den Wohnungen der Unternehmen 2014 im Schnitt 4,65 Euro pro Quadratmeter und liegt damit im Bundesvergleich am unteren Rand. Agenturen/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.