Theologen fordern kohärente Außenpolitik
Bischof Dröge: Friedenspolitik geht vor Sicherheitspolitik / Evangelische Friedensverbände befürworten einseitige Abrüstung
Berlin. Evangelische Theologen erwarten von der Bundesregierung eine kohärentere Strategie für ihre Außenpolitik. »Wir können die Fragen der Flüchtlingsproblematik nicht erst angehen, wenn das dritte Schiff im Mittelmeer untergegangen ist«, sagte Michael Haspel von der Evangelischen Akademie Thüringen bei einer friedensethischen Podiumsdiskussion am Montagabend in der Berliner Friedrichstadtkirche. Um Friedensperspektiven umzusetzen, seien langfristige Zielsetzungen unverzichtbar.
Friedenstiftende Maßnahmen müssen nach Ansicht des Berliner Bischofs Markus Dröge Vorrang vor der eigenen Sicherheitspolitik haben. Friedensethische Diskussionen müssten auch in die Gemeinden getragen und damit der Gesellschaft zugänglicher gemacht werden, forderte der Theologe. Bei der Veranstaltung unter dem Titel »Deutschlands Verantwortung für den Frieden« wurden Ergebnisse und Empfehlungen der Evangelischen Akademien zur Friedensethik vorgestellt.
Stephan Steinlein, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, begrüßte den friedensethischen Diskurs der Evangelischen Akademien. Über friedensethische Fragen müsse stetig diskutiert und gestritten werden. Allerdings dürfe die Anwendbarkeit auf die konkrete politische Lage nicht von Ethikern und Theologen außer Acht gelassen werden.
Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink sagte, nach den deutschen Waffenlieferungen an kurdische Peschmerga-Kämpfer im Irak und der Entscheidung für die Entwicklung bewaffneter Drohnen stehe Deutschland vor neuen friedensethischen Herausforderungen. Die aktuelle Friedensethik der Bundesrepublik müsse nun auf ihre Tragfähigkeit überprüft werden.
Der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, sagte, die Evangelischen Akademien leisteten dazu mit ihrem Diskursprojekt »Dem Frieden in der Welt zu dienen« einen wichtigen Beitrag. Es sei die Aufgabe der Kirche, Fragen zu stellen. Die Politik stehe vor der Herausforderung, Antworten darauf zu finden.
Evangelische Friedensverbände befürworten einseitige Abrüstung
Zum 70. Jahrestag des Weltkriegsendes am 8. Mai haben kirchliche Friedensverbände zu Abrüstung und mehr Engagement für zivile Konfliktlösungen aufgerufen. »Friedenssicherung bleibt auch 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der vorrangige politische Auftrag der Staatengemeinschaft«, heißt es in dem am Dienstag in Bonn veröffentlichten Aufruf: »Militärische Gewalt schafft keinen Frieden, sondern löst neue Konflikte aus.« Unterzeichner des Aufrufs sind der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden sowie Vertreter von Landes- und Freikirchen.
Sie fordern in dem Papier Bundestag und Bundesregierung auf, die Mittel für zivile Friedenssicherung zu stärken, statt den Bundeswehretat zu erhöhen. Exporte von Kleinwaffen und Rüstungsexporte in sogenannte Drittstaaten dürften nicht genehmigt werden. Nötig seien außerdem eine »deutliche Erhöhung des humanitären Engagements in der Flüchtlingsaufnahme« und eine aktive Entwicklungspolitik, um Konfliktursachen in Krisen- und Kriegsgebieten zu bekämpfen. Zum Einsatz für Abrüstung gehöre die Bereitschaft zu einseitigen Schritten.
In ihrem Aufruf heben die Friedensbeauftragten die besondere Verantwortung Deutschlands angesichts von mehr als 60 Millionen Opfern des NS-Regimes und des Zweiten Weltkriegs hervor. Anlass der Erklärung ist auch der 60. Jahrestag des bundesdeutschen NATO-Beitritts am 9. Mai 1955. epd/nd
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